Limburg

Limburger führen über den Adel Buch

Bilder der Erinnerung: Viele interessieren sich für Familienforschung. Und manche haben das Glück, über eine Ahnengalerie zu verfügen.
Bilder der Erinnerung: Viele interessieren sich für Familienforschung. Und manche haben das Glück, über eine Ahnengalerie zu verfügen. Foto: Svenja Wolf

Das Gebäude des Limburger Starke-Verlags ist in Ehren ergraut. Die hölzerne Eingangstür hat schon viel erlebt und schrappt, gebeugt von den Jahren, laut ächzend über den Linoleumboden. Schon im Flur fällt der Blick des Besuchers auf deckenhohe Vitrinenschränke, hinter deren halb blinden Scheiben sich lederne Bände mit goldenen Lettern auf dem Buchrücken stapeln. Es riecht nach Staub, und das passt gut. Denn bei Starke wird die Familiengeschichte deutscher Adelshäuser aufbewahrt.

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Limburg – Das Gebäude des Limburger Starke-Verlags ist in Ehren ergraut. Die hölzerne Eingangstür hat schon viel erlebt und schrappt, gebeugt von den Jahren, laut ächzend über den Linoleumboden.

Schon im Flur fällt der Blick des Besuchers auf deckenhohe Vitrinenschränke, hinter deren halb blinden Scheiben sich lederne Bände mit goldenen Lettern auf dem Buchrücken stapeln. Es riecht nach Staub, und das passt gut. Denn bei Starke wird die Familiengeschichte deutscher Adelshäuser aufbewahrt.

Christina Salem und ihr Vater Hans-Jürgen Kretschmar, der das Genealogische Adelshandbuch mitbegründet hat.
Christina Salem und ihr Vater Hans-Jürgen Kretschmar, der das Genealogische Adelshandbuch mitbegründet hat.
Foto: Nicole Mieding

Der Limburer Verlag gibt seit 1951 das „Genealogische Handbuch des Adels“ (GHdA) heraus. Ein Nachschlagewerk, das im Volksmund noch immer als Der Gotha bekannt ist. Denn bis 1944 erschien in der thüringischen Stadt der „Gothaer Hof-Kalender“, erstmals 1785 als „Gothaischer Hof-Kalender zum Nutzen und Vergnügen eingerichtet“ im Justus Perthes Verlag erschienen. Der Name ist Programm: „Der Gotha war ursprünglich keine historische Datensammlung, sondern ein Lieferant für Klatsch und Tratsch“, beschreibt die heutige Verlegerin Christina Salem die Publikation, die allen, die sich dafür interessierten, Auskunft über neue eheliche Verbindungen und Familienzuwachs in adeligen Häusern gab. „Das Interesse am Adel war schon immer groß“, sagt Salem, „die Leute wollen einfach wissen, wer mit wem verbandelt ist.“

Wer sich heutzutage für derlei Verbindungen interessiert, dem liefert die Verlegerin eine profunde Quelle. Das GHdA wird weltweit als Standardwerk angesehen, wer sich über blaublütige Kreise einlesen will, schlägt auch in New York oder Tokio in dem Adelsalmanach von der Lahn nach. Im GHdA zu erscheinen, ist eine Frage des Prestiges – denn rein kommt nur, wer von Geburt an adelig ist. Angeheiratete müssen draußen bleiben.

Bisweilen halten sich allerdings auch Blaublüter ihrerseits mit Auskünften über ihren aktuellen Familienstand bedeckt, erklärt die Verlegerin: „Wenn auch die dritte Ehe gescheitert ist, ein Kind nicht genannt werden soll oder will, kommt es schon vor, dass Personen im Register als Leerstelle mit den berühmten drei Pünktchen erscheinen.“ Über rund 90 Prozent der deutschen Adeligen lässt sich im GHdA jedoch etwas lesen.

Ob es sich tatsächlich um „echten Adel“ handelt, prüft der Deutsche Adelsrechtsausschuss in Marburg. Dort befindet sich das Deutsche Adelsarchiv, das im ehemaligen Wohnhaus des Philosophen Martin Heidegger untergebracht ist. Seine Gründung geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, als Flüchtlingslisten erstellt werden mussten. Heute versteht sich das Archiv als Forschungsstätte für Wissenschaftler, Hobbyhistoriker, Schüler und Studenten. Es wird von 23 Vereinigungen des Historischen Adels getragen und ist für die Redaktion des GHdA verantwortlich, wofür es im direkten Austausch mit den deutschen Adelsfamilien steht. Daher ist im Almanach bislang auch noch kein einziges falsches Wappen erschienen.

Dennoch ist in Limburg vor einigen Jahren ein Fauxpas passiert: „Wir haben auf einem Einband eine falsche Adelskrone gedruckt – mit neun Spitzen, wie es einem Grafen gebührt, dabei haben Freiherrn bloß sieben“, gesteht Salem. Damals hatte der Band, der die Freiherrn versammelt, auf dem Titel tatsächlich zu viele Zacken in der Krone.

Solche Unterscheidungen spielen eine wichtige Rolle, denn innerhalb der einzelnen Bände des GHdA bleiben die Adeligen auf der jeweiligen Stufe in der Hierarchie unter sich: Der Hochadel ist im leuchtend roten Band „Fürstliche Häuser“ versammelt, zu denen auch regierende Adelsfamilien zählen. Die Grafen erscheinen in Tannengrün; Freiherren und Barone, die gleichrangig sind, teilen sich einen rotbraunen Band. Familien mit einem einfachen „von“ im Namen stehen auf der niedrigsten Stufe – ihr Band „Adelige Häuser“ ist in schlichtes graues Leinen gekleidet.

Das GHdA erscheint in einer Auflage von 2000 Stück. „Reich wird man damit nicht, aber es ernährt seinen Mann“, erklärt Seniorchef Hans Jürgen Kretschmar (87) lächelnd, der das Genealogische Handbuch des Adels mitbegründet hat. Das Nachschlagewerk in Gesangbuchgröße wird im gehobenen Management gern als Benimmratgeber oder zum Rekrutieren von Führungspersonal bemüht. Zwar spürt auch der Starke-Verlag die Konkurrenz durch Klatschpresse und Internet. Grund zur Sorge ist das aber nicht: „Der Adel setzt auf Seriosität“, weiß Salem. „Persönliche Daten im Internet zu veröffentlichen, käme den meisten nicht in den Sinn.“

Auskunft im Internet: www.starke-verlag.de

Von unserer Redakteurin Nicole Mieding