Last und Lust: Der Wunsch nach umweltfreundlicher Mobilität löst Innovationen in der Fahrradbranche aus
Mehr als 1400 Aussteller aus 60 Ländern präsentieren bei der größten Plattform für die Zweiradbranche ihre Neuheiten. Vieles bei der Eurobike 2019 dreht sich um das Thema urbane Mobilität. Weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energien, das könnte das grundlegende Wirtschaftsprinzip der Zukunft sein. Besser statt schneller, lautet das Motto. Das Lastenrad ist dabei eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Es hat das Zeug dazu, das Stadtauto von morgen zu werden. Nur eben ohne Abgase und Parkplatzsuche.
Dieser Meinung ist zumindest der Koblenzer Fahrradpionier Franc Arnold. Seit mehr als 30 Jahren schon erfolgreich im Geschäft (Ergon, RTI Sports), hatte Arnold im vergangenen Jahr die Idee zu einem Lastenrad, das die Branche revolutionieren soll. In Friedrichshafen präsentiert die Firma Lastkraft GmbH aus Koblenz nun das Ergebnis dieser Ideen und Tüfteleien. „ca go“ heißt das Lastenrad mit Tretunterstützung, das Arnold gemeinsam mit einem Team erfahrener Ingenieure und Designer auf den Weg gebracht hat.
Mit einem Bosch-Hochleistungsmotor (Reichweite von bis zu 125 Kilometer) geht es mit diesem E-Cargo-Bike durch die Stadt. Komfortabel, kraftvoll, umweltschonend, vor allem aber sicher. Der Sicherheitsaspekt hat bei der Entwicklung des „ca go“ für Arnold eine wichtige Rolle gespielt. Ein optimiertes Bremssystem, eine Transportbox aus splitterfreiem und nachgiebigem Material und ein leichtes Handling sollen das Lastenrad für Familien mit Kindern, aber auch für Unternehmen zu einem attraktiven Fortbewegungsmittel machen. Die Transportbox hat ein stattliches Volumen von 200 Litern.
Ebenfalls auf der Eurobike ist Fahrrad Franz vertreten. Das Unternehmen mit Sitz in Koblenz betreibt bundesweit 15 Filialen. Für Bernd Müller, bei Fahrrad Franz für den Einkauf zuständig, decken sich die Kernthemen der Messe mit den Nachfragen der Kunden in Koblenz und der Region: E-Bikes sind schwer gefragt, ebenso Lastenräder, bei denen zunehmend elektrische Unterstützung im Kommen ist. „Gerade junge Leute sind an diesen Rädern als Nutzfahrzeuge interessiert, um das Auto stehen zu lassen“, meint er. Das gelte nicht nur im städtischen Bereich, sondern auch in ländlichen Regionen.
Bemerkenswert ist außerdem, dass zunehmend jüngere Radler aufs E-Bike umsteigen. Vor fünf Jahren, erklärt Bernd Müller, sei ein E-Bike-Kunde im Schnitt noch 60 Jahre alt gewesen, heute liegt der Altersdurchschnitt bei 45 Jahren – und die Tendenz ist sinkend. Begünstigt werde diese Entwicklung durch Leasingprogramme für Räder, die immer mehr Firmen in der Region für ihre Mitarbeiter anbieten – Stichwort Jobrad. „Wer least, greift meist zum E-Bike. Da liegt die Rate bei mehr als 90 Prozent“, sagt Müller.
Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) erlebt auch dank der E-Bikes einen ordentlichen Rückenwind. Von Januar bis Juni sind insgesamt 2,93 Millionen Fahrräder verkauft worden. Das ist ein Plus von rund 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die E-Bikes kommen auf rund 920.000 verkaufte Exemplare. Hier rechnet der ZIV sogar mit einem Wachstum von rund 12 Prozent für das Gesamtjahr. „Wir blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft und freuen uns auf die weitere Entwicklung von Fahrrad und E-Bike“, teilte der Geschäftsführer des Verbands, Siegfried Neuberger, mit.
Aber auch das Lastenrad ist im Kommen. 2018 wurden in Deutschland laut Zahlen des ZIV rund 40.000 Elektrolastenräder verkauft, das waren etwa 80 Prozent mehr als im Vorjahr. Es sei zwar ein sehr kleines Segment, aber eines, das immer stärker wachse, sagt ZIV-Sprecher David Eisenberger. Im „steilen Steigflug“ sind vor allem die Absatzzahlen von Lastenrädern mit Elektromotor, heißt es auch von der Eurobike. So sind auf der Leitmesse denn auch insgesamt 32 Hersteller von Transport- und Lastenrädern vertreten.
Fakt ist: Lastenräder sind in Städten nicht wesentlich langsamer als Autos. Das sagt Johannes Gruber vom Institut für Verkehrsforschung des Deutsches Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Er leitet Europas größten öffentlichen Lastenradtest und hat festgestellt: Bei Strecken bis drei Kilometer sind die Fahrtzeiten in etwa gleich, bei Strecken bis 20 Kilometer brauchen Lastenräder häufig nur wenige Minuten mehr.
Für Grubers Studie testen Unternehmen deutschlandweit – überwiegend mit Elektromotor. Über eine App werden die Teilnehmer befragt und ihre Wege aufgezeichnet. Bis Ende des Jahres werden laut Gruber etwa 800 Tester teilgenommen haben. Die Flotte von rund 150 Lastenrädern reicht längst nicht für alle Interessenten. „Wir haben grundsätzlich einen hohen Andrang von Klein- und Kleinstunternehmen.“ Etwa jeder fünfte Bewerber sei ein Handwerker. Knapp ein Drittel der Unternehmen kauft sich laut Gruber nach dem Test ein Lastenrad.
Damit Lastenräder ihr volles Potenzial entfalten können, fordert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club neben kräftiger Förderung vor allem eines: mehr Platz in den Städten. Dazu gehören unter anderem breite Radwege, auf denen sich Fahrräder und Lastenräder überholen können. Klaus Reimann/
Anke Mersmann/dpa