Frankfurt

Kursrutsch: China sendet Schockwellen um die Welt

In China geht die Panik um: Die Schanghaier Börse erlebt derzeit den schlimmsten Einbruch seit acht Jahren. Innerhalb kurzer Zeit sind Billionenwerte vernichtet worden. Vielen Kleinanlegern droht der Ruin. Auch in Europa und in den USA sind die Kurse deutlich eingebrochen.  Foto: dpa
In China geht die Panik um: Die Schanghaier Börse erlebt derzeit den schlimmsten Einbruch seit acht Jahren. Innerhalb kurzer Zeit sind Billionenwerte vernichtet worden. Vielen Kleinanlegern droht der Ruin. Auch in Europa und in den USA sind die Kurse deutlich eingebrochen. Foto: dpa

Die Börsen sind in Aufruhr: In Asien rauschen die Kurse zu Beginn der neuen Handelswoche in die Tiefe. Und haben längst auch Europa angesteckt. Der deutsche Leitindex DAX ist unter die Marke von 10 000 Punkten gesackt. Nach den Kursanstiegen der Vergangenheit scheinen die Börsen derzeit nur eine Richtung zu kennen: abwärts. Was sind die Ursachen? Und welche Folgen hat die Krise für Anleger und Unternehmen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Von Friederike Marx und Michael Schilling

Warum geht es seit Tagen an den Börsen nach unten?

Anleger befürchten eine deutliche Abkühlung der chinesischen Wirtschaft mit Folgen für die globale Konjunktur. Der konkrete Auslöser des jüngsten Kursrutsches war eine überraschende Abwertung der chinesischen Währung Renminbi (Yuan) vor gut zwei Wochen, die die Sorgen um den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt noch weiter verstärkt haben. Seither hat der DAX rund 15 Prozent eingebüßt. Experten zufolge fehlten in den vergangenen Tagen auch die Schnäppchenjäger, die ansonsten bei Kursrückgängen gern mal zugreifen.

Wie wichtig ist China für die deutsche Wirtschaft?

China ist mit Abstand Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in Asien. Im vergangenen Jahr sind laut Statistischem Bundesamt Waren made in Germany im Gesamtwert von 74,5 Milliarden Euro nach China ausgeführt worden. Damit war das Riesenreich der viertwichtigste Absatzmarkt für deutsche Firmen – nach Frankreich, den USA und Großbritannien. Zum Vergleich: Nach Frankreich gingen Produkte im Volumen von 101,9 Milliarden Euro. Für die deutschen Maschinenbauer ist China bereits der wichtigste Absatzmarkt. Auch für Autobauer ist das Land ein Muss.

Was würde ein Konjunktureinbruch in China für Deutschland bedeuten?

„Früher hieß es, wenn Amerika hustet, hat die Weltwirtschaft eine Grippe. Heute kann das Schwächevirus durchaus aus China kommen“, meint Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Bisher reagieren Ökonomen aber gelassen. Sie verweisen auf den robusten Privatkonsum hierzulande und den niedrigen Ölpreis, der die Budgets der Verbraucher und der energieintensiven Unternehmen entlastet. Der Exportboom nach China ist schon länger vorbei, argumentiert Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Das Geschäft mit Asien hat die deutsche Wirtschaft schon in den vergangenen drei Jahren kaum noch angeschoben. Nach Einschätzung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt von der Berenberg Bank, ist die Wirtschaft in den USA und der Europäischen Union inzwischen in besserer Verfassung, mit moderaten externen Schocks umzugehen als in den vergangenen fünf Jahren.

Welche Rolle spielen die großen Notenbanken für die Börsen?

Die wichtigsten Notenbanken haben die Märkte mit Geld geflutet und die Zinsen nahezu auf null gedrückt. Das billige Geld soll die Unternehmensinvestitionen und den Privatkonsum ankurbeln und so die Konjunktur beflügeln. Die Kehrseite: Sparbücher, Tagesgeld, aber auch viele festverzinsliche Wertpapiere werfen nichts mehr ab. Viele Investoren flüchteten daher in Aktien, das trieb die Kurse an den Börsen lange in die Höhe.

Warum hilft die Geldschwemme aktuell nichts?

Experten sehen den Kursrutsch zwar als übertrieben an. Einige Anleger schienen aber bereits panisch zu agieren, schreibt Analyst Tobias Basse von der NordLB. Marktstratege Mislav Matejka von JPMorgan betont, die Konjunkturdaten würden das negative Bild nicht untermauern. Der Markt erscheine überverkauft. Analyst Christian Schmidt von der Landesbank Helaba rechnet aber mit großen Kursausschlägen im DAX.

Was könnten die großen Notenbanken bei einer Krise tun?

Als die Weltwirtschaft in der Finanzkrise 2008 weltweit einbrach, drehten die großen Notenbanken den Geldhahn weit auf, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Sollte wegen der Turbulenzen in China ein erneuter Konjunkturabsturz drohen, hätten Europäische Zentralbank (EZB) und Co. inzwischen nicht mehr so viele Pfeile im Köcher. Die US-Notenbank könnte beispielsweise die für Herbst erwartete erste Zinserhöhung seit 2006 verschieben.

Warum steigt der Euro wieder?

Investoren hatten lange darauf gesetzt, dass die US-Notenbank Fed die Zinszügel im Herbst strafft. Das beflügelte den Dollar, der Euro geriet im Gegenzug unter Druck. Doch mit der wachsenden Sorge vor einer ernsten Konjunkturflaute in China verstärken sich am Devisenmarkt Spekulationen auf einen späteren Zinsschritt in den USA, das belastet den Dollar. Ein stärkerer Euro macht deutsche Exporte außerhalb der Euro-Zone teurer, was den Absatz mindern kann.

Was bedeutet das für Verbraucher?

Aktienbesitzer können zunächst auf steigende Kurse warten, bevor sie ihre Papiere verkaufen. Sollte die Weltwirtschaft durch die Entwicklung in China allerdings massiv in Mitleidenschaft gezogen werden, würde dies wohl auch auf Deutschland durchschlagen. Das Wirtschaftswachstum könnte sich in diesem Fall abschwächen – mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sieht allerdings keine Anzeichen für einen globalen Abschwung und spricht von „überzogenen Rezessionsängsten“. Die chinesische Regierung wird seiner Ansicht nach Maßnahmen ergreifen, um eine deutliche Konjunkturabkühlung zu vermeiden. „Für die kurzfristige Entwicklung ist deshalb übertriebene Skepsis nicht geboten.“