Konrad Zuse zum 100.: Ruhm eines Bill Gates blieb ihm verwehrt

Hünfeld/Berlin – Es gibt ein Kapitel vor den Größen der Computerindustrie wie Bill Gates und Steve Jobs. Dafür stand in den 30er-Jahren in Deutschland ein großes Z. Z wie Zuse. Konrad Zuse baute in Berlin den ersten Computer der Welt.

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Hünfeld/Berlin – Es gibt ein Kapitel vor den Größen der Computerindustrie wie Bill Gates und Steve Jobs. Dafür stand in den 30er-Jahren in Deutschland ein großes Z. Z wie Zuse. Konrad Zuse baute in Berlin den ersten Computer der Welt.

Manchmal lachen Informatikstudenten in den USA. Der Computer eine Erfindung aus Deutschland? Unvorstellbar. Aber wahr. Zum 100. Geburtstag des Computer-Pioniers Konrad Zuse rufen Museen die Erinnerung an den genialen Erfinder wieder wach.

1936 begann Zuse, gerade mal 26 Jahre alt, in einer Berliner Altbauwohnung einen Rechner zusammenzubauen. Der war so groß wie ein Kleiderschrank und bockte, wenn sich die mechanischen Schaltglieder verklemmten. Doch er hatte fast alles, was ein moderner Computer braucht. Zuse nannte seine Erfindung Z1 – Z wie Zuse.

Der Informatik-Pionier mit den weißen Haaren und der dicken Brille, der am 18. Dezember 1995 im Alter von 85 Jahren starb, ist das große Aushängeschild der kleinen, 16 000 Einwohner zählenden Stadt Hünfeld nördlich von Fulda. Am Ortseingangsschild steht der Zusatz Konrad-Zuse-Stadt und im Ort unter anderem ein Museum und ein Denkmal, das an den berühmtesten Sohn der Stadt und Erfinder von Weltrang erinnert. Zu seinem heutigen 100. Geburtstag wird er auch anderswo für seine Errungenschaften geehrt.

Vielleicht wäre er ein reicher Mann wie Microsoft-Gründer Bill Gates geworden, hätte er doch ähnliche Chancen bei der Vermarktung gehabt. Doch Zuse, studierter Bauingenieur mit einem Faible für Architektur und Maschinenbau, lebte in Nazi-Deutschland. Als er im Mai 1941 seinen ersten Rechner zum Z3 weiterentwickelt hatte, dem ersten funktionsfähigen Digitalrechner weltweit, herrschte bereits Krieg. Der Z3 hatte eine Speicherkapazität von 64 Wörtern und konnte in drei Sekunden multiplizieren, dividieren und Quadratwurzeln ziehen. Kontakte nach Großbritannien oder in die USA, wo Wissenschaftler für große Firmen an Rechnern tüftelten, hatte Zuse deshalb nicht. Der Erfinder blieb ein Einzelkämpfer, der sein Geld als Ingenieur bei den Berliner Henschel-Flugzeugwerken verdiente. Dort bestärkten ihn die monotonen Berechnungen für Flugstatik in dem Wunsch, eine Maschine für die lästige Arbeit zu konstruieren. „Ich bin zu faul zum Rechnen“, begründete Zuse humorvoll seinen Erfinderdrang.

Privat gründete er in Berlin die Zuse-Apparate-Bau, die erste Computerfirma der Welt. Doch 1945 fiel eine Bombe auf den Firmensitz, der Z3 wurde zerstört, der Nachfolger Z4 war unfertig. Zuse fing in Westdeutschland neu an. Eine Zeit, an die sich sein ältester Sohn Horst, Jahrgang 1945, noch gut erinnert. Als kleiner Junge durfte er aus der Computerbau-Firma seines Vaters Abfallteile mitnehmen. „Die habe ich in meine Märklin-Eisenbahn eingebaut“, erzählt er schmunzelnd. „Wenn mein Vater gewusst hätte, wie viele elektrische Schläge ich mir geholt habe, hätte er mir das sicher nicht erlaubt.“

Konrad Zuse war ein Vater wie viele Wirtschaftswunder-Väter. Er arbeitete 16 Stunden am Tag und sah seine Kinder selten. Genutzt hat ihm die Mühe wenig. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte blieb seiner Firma versagt. Die Computer-Konkurrenz in Deutschland und den USA holte schnell auf, in den 60er-Jahren schluckte Siemens die verschuldete Zuse KG.

Natürlich sei sein Vater damals traurig gewesen, dass er so wenig aus seinen Ideen machen konnte, erinnert sich Horst Zuse. Später rettete er sich in Galgenhumor und gab als Berufsbezeichnung „verkannter Weltverbesserer“ an. Erst im Alter baute Konrad Zuse seinen zerstörten Z1 für das Berliner Technikmuseum nach. Außerdem malte er leidenschaftlich gern. Unter dem Pseudonym Kuno See schuf er abstrakte Bilder und Porträts berühmter Zeitgenossen – bestimmt nicht zufällig auch eines von Bill Gates.

„Wenn mein Vater die heutige Aufmerksamkeit erleben könnte, bekäme er feuchte Augen“, sagt sein Sohn. Wie bedeutend Zuses Werk für die moderne Computerwelt ist, zeigt dies: Noch heute findet sich im kleinsten Laptop oft eine Zuse-Grundstruktur aus binären Zahlen, Rechen-, Speicher- und Programmwerk.

Jörn Perske/Ulrike von Leszczynski