Berlin

Koalitionen: Mit den Linken will noch immer keiner reden

Bernd Riexinger (Linke): „Wir sind bereit zu Sondierungen.“
Bernd Riexinger (Linke): „Wir sind bereit zu Sondierungen.“ Foto: dpa

Fast täglich kommt ein neuer Vorstoß. Die Linke piesackt SPD und Grüne mit Vorschlägen, wie man im Bundestag gemeinsame Sache gegen die Union machen könnte.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

„Es ist doch absurd, dass die SPD bei Merkel um das Finanzministerium und einen halben Mindestlohn bettelt, wo sie mit uns den Kanzler stellen und einen echten Mindestlohn einführen könnte“, stichelt der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger im Gespräch mit unserer Zeitung. Der neueste Streich der Linken ist die Forderung nach einer Mitgliederbefragung in allen drei Parteien über eine rot-rot-grüne Koalition.

Rein rechnerisch gäbe es eine Mehrheit für ein solches Bündnis. Trotzdem ist es so gut wie ausgeschlossen, dass es dazu kommt. Das liegt weiterhin vor allem an den historischen wie inhaltlichen Differenzen zwischen den Linken und der SPD. Den Sozialdemokraten sind die Linken etwa in der Euro- und der Verteidigungspolitik zu unzuverlässig (die Linke fordert etwa den Austritt Deutschlands aus der Nato), der Linken ist die SPD bei der Rente und beim Mindestlohn nicht radikal genug.

Auch die Grünen haben sich im Wahlkampf immer wieder von der Linken distanziert. Bei der SPD sitzt die Abneigung tiefer.

PDS galt als „undemokratisch“

Die ersten härteren Töne werden schon zu Beginn der 90er-Jahre laut. Damals gibt SPD-Parteichef Rudolf Scharping angesichts einer möglichen Koalition mit der damaligen SED-Nachfolgepartei PDS die Losung aus: mit denen nicht.

Die PDS bezeichnet er auch wegen der SED-Vergangenheit vieler Mitglieder als „undemokratisch“. In den ostdeutschen Ländern etabliert sich die PDS jedoch rasch als Volkspartei. Obwohl sie in den neuen Bundesländern in vielen Landesregierungen sitzt, schwankt ihre Rolle auf Bundesebene. Nach der ersten rot-grünen Regierung werden 2002 nur noch zwei direkt gewählte Abgeordnete der Linken im Bundestag sein.

Die Konkurrenz links der SPD erstarkt erst mit der Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Die von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Reformen der Sozialgesetze gehen vielen Sozialdemokraten zu weit. 2004 formiert sich in den alten Bundesländern die WASG (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit), ein neues Sammelbecken frustrierter vormaliger SPD-Anhänger. Sie erhält mit dem früheren SPD-Parteivorsitzenden und Finanzminister im Kabinett Schröder, Oskar Lafontaine, ein gewichtiges Mitglied. Die SPD-Führung schäumt ob dieses Verrats.

Nach der Bundestagswahl 2005 bilden PDS und WASG eine gemeinsame Fraktion, 2007 schließen sich beide Parteien unter der Führung von Lafontaine und Gregor Gysi zur gesamtdeutschen Linkspartei zusammen. Doch der Einigungsprozess fällt bis heute schwer, er brachte die Partei 2011 fast zum Kollaps. Während die ostdeutschen Landesverbände sich mehr Pragmatismus wünschen, ist für viele Mitglieder im Westen die Opposition zur SPD wichtiger als eine Regierungsbeteiligung.

Der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat der Linken, Alexander Ulrich, streitet dies aber ab: „Das Problem liegt nicht bei der Linken, sondern bei der SPD“, sagt Ulrich. Der SPD gehe es nicht ernsthaft um einen Politikwechsel. Ulrich ist überzeugt, dass die SPD „auf lange Zeit nie mehr einen Bundeskanzler stellen wird“, wenn sie nicht mit der Linken zusammenarbeitet.

Die SPD hat zwar in der Vergangenheit immer wieder mit einem solchen Bündnis geliebäugelt. Andrea Ypsilanti hat aber in Hessen nach der Landtagswahl 2008 die Ankündigung, entgegen vorherigen Beschlüssen im Wahlkampf doch mit der Linken koalieren zu wollen, mit ihrer Karriere bezahlt. Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering hatte 2009 die Vermutung geäußert, dass es 2013 erstmals zu einem Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Linken auf Bundesebene kommen könnte.

Die SPD-Führung hat ein solches Bündnis in diesem Wahlkampf aber so deutlich ausgeschlossen, dass ihr das Schicksal Ypsilantis drohen könnte, würde sie jetzt anders handeln.

Lange Hängepartie – großer Druck

Linken-Chef Riexinger hat die Hoffnung nicht aufgegeben. „Man hat ja ein wenig den Eindruck, die SPD ist eine Nichtregierungsorganisation. Je länger die Hängepartie dauert, desto größer wird der Druck werden, dass es wenigstens rot-rotgrüne Sondierungen gibt.“ Falls es doch zu einer Großen Koalition kommt, will die Linke „die Opposition der Einladung sein“.

„Das heißt, wir würden immer wieder Brücken für all diejenigen Abgeordneten bauen, die in Wirklichkeit eine soziale Reformregierung wollen.“ sagt Riexinger. Er glaubt nicht, dass eine Große Koalition länger als zwei Jahre halten würde.