Düsseldorf

Kampf um Kanzlerkandidatur der CDU: Armin Laschet – Der Unterschätzte

Von Ulrich Steinkohl, Jörg Blank, Bettina Grönewald, Ursula Samary
Mehr Versöhner denn Polarisierer: Im Bundestagswahlkampf muss Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, mehr Kanten zeigen.  Foto: dpa
Mehr Versöhner denn Polarisierer: Im Bundestagswahlkampf muss Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, mehr Kanten zeigen. Foto: dpa

Oft ist Armin Laschet in seinem politischen Leben unterschätzt worden. Doch in diesem Jahr startet der 60-Jährige durch. Erst wählte ihn im Januar ein Onlineparteitag der CDU zum neuen Parteivorsitzenden. Und nun steht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nach einem scharfen Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidat der Union fest und strebt im Herbst die Nachfolge der nicht wieder kandidierenden Kanzlerin Angela Merkel an.

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Laschet gilt als Vertreter von „Maß und Mitte“. Das Polarisieren ist seine Sache nicht. Mit einem Kurs des Zusammenführens und Integrierens versucht Laschet auch seit seiner Wahl zum Parteichef, seinen nur knapp unterlegenen Rivalen Friedrich Merz und dessen Anhänger weiter in die CDU einzubinden.

Allerdings: Im bevorstehenden Wahlkampf werden andere Qualitäten als ein Versöhnungskurs gefragt sein. Laschet muss auf Attacke setzen. Das zeigen schon die Umfragewerte. Konnten sich CDU und CSU am Jahresanfang noch im Glanz von zusammen um die 37 Prozent sonnen, so haben sie seitdem einen Absturz um rund 10 Punkte hinter sich. Der Vorsprung auf die Grünen ist bedrohlich geschrumpft. Weitere Rückschläge sind nicht auszuschließen.

Und auch an seinen persönlichen Umfragewerten muss der Mann aus Aachen arbeiten. Sein Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, CSU-Chef Markus Söder, rangiert in den Beliebtheitswerten jedenfalls weit vor ihm – woraus dieser ja ableitete, besser als Kanzlerkandidat geeignet zu sein. Laschet muss nun bei der Bundestagswahl am 26. September zeigen, dass er siegen kann.

Einen Teil der Umfrageverluste für die Union muss sich Laschet wohl selbst auf die Fahnen schreiben. Denn erklärt werden sie im Wesentlichen mit dem schlechten Erscheinungsbild der Verantwortlichen von Bund und Ländern bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Und mit seinem überraschenden und insgesamt sehr zurückhaltend aufgenommenen Vorstoß für einen „Brückenlockdown“ hat Laschet zuletzt mit zum Vielstimmengewirr beigetragen.

Wir haben im Folgenden einiges Wissenswertes und Persönliches über den Politiker Armin Laschet zusammengetragen:

1 Herkunft: Armin Laschet ist als Sohn eines Bergmanns in Aachen geboren. Auch sein Vater scheint zielstrebig und ehrgeizig gewesen zu sein: Denn immerhin hatte er es nach einer Umschulung bis zur Leitung einer Grundschule gebracht. Die Mutter war Hausfrau. Armin Laschet ist in einem katholisch geprägten Elternhaus groß geworden.

2 Abstammung: Einer von Armin Laschets drei jüngeren Brüdern geht nach Stammbaumrecherchen davon aus, dass die Familie direkt von Karl dem Großen abstammt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist ein erklärter Bewunderer des mächtigsten Kaisers des Mittelalters, dessen Lieblingspfalz Aachen war. In Armin Laschets Büro in der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei in Düsseldorf steht denn auch eine goldfarbene Büste des Kaisers.

3 Ausbildung: Laschet war ein eher mittelmäßiger Schüler, das enthüllt die Biografie „Der Machtmenschliche“. In der zehnten Klasse blieb er sitzen. Von der Bundeswehr wurde er ausgemustert. Das Erste Jura-Staatsexamen schloss er mit „befriedigend“ ab.

4 Politischer Werdegang: In seiner Partei hat Laschet die berühmte „Ochsentour“ durch sämtliche Ebenen durchgezogen – vom Aachener Stadtrat über den Bundestag, das Europaparlament bis zum Landtag in Düsseldorf. Im Jahr 2017 hebelte er Hannelore Kraft (SPD) überraschend aus dem Amt und wurde in Nordrhein-Westfalen Regierungschef der derzeit einzigen CDU-FDP-Koalition in Deutschland.

5 Führungsstil: Persönlich und politisch ist Laschets Motto: „Maß und Mitte“. In Nordrhein-Westfalen hat er gezeigt, dass er eine Landesregierung trotz Einstimmenmehrheit mit der FDP geräuschlos führen kann. Hoch angerechnet wird ihm in der Landes-CDU, dass er die innerparteilichen Flügel eingebunden hat.

6 Politisches Credo: Dazu gehört sein überzeugtes Eintreten für das vereinte Europa. Es fehlte auch in der Auseinandersetzung mit Söder in kaum einer Rede oder Pressekonferenz. Nachdem er von 1994 bis 1998 Bundestagsabgeordneter war, gehörte er von 1999 bis 2005 dem Europäischen Parlament an. In seinem Büro steht der Schreibtisch, an dem Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron 2019 den Vertrag von Aachen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit unterzeichnet haben.

7 Erfolgsrezept: Laschet wird oft unterschätzt. In innerparteilichen Wettbewerben musste er immer wieder Niederlagen einstecken, mit Zähigkeit kam er dennoch zum Ziel. So unterlag er 2010 Norbert Röttgen bei der Wahl des CDU-Landeschefs. Nachdem Röttgen 2012 bei der NRW-Landtagswahl krachend gescheitert war, wurde Laschet doch Landeschef und im selben Jahr auch CDU-Bundesvize. Diese Zähigkeit legte Laschet jetzt auch im Clinch mit Söder an den Tag.

8 Familie: Laschet hat mit seiner Frau Susanne, einer Buchhändlerin, drei Kinder: Johannes, Eva und Julius. Johannes ist Modeblogger und sorgte vor einiger Zeit für Aufregung, weil er einem Werbepartner einen Zugang zu Landesaufträgen für Corona-Schutzausrüstung vermittelt hatte.

9 Freizeit und Entspannung: Laschet ist „Tatort“-Fan. „Meine Lieblingskommissare sind die Kölner und die Münchner.“ Am Neujahrstag 2020 spielte Laschet in einer Folge mit – in der Rolle des Ministerpräsidenten. Er liest gern Krimis zur Entspannung, aber auch historische Romane. Laschet ist Fußballfan und besucht gern die Heimspiele von Alemannia Aachen. Leidenschaftlich gern raucht er Zigarillos. Den Familienurlaub verbringt er seit vielen Jahren am Bodensee.

Und die entscheidende Frage: Kann er Kanzler? Würde er diese Frage für sich nicht bejahen, würde er wohl nicht antreten. Und auch konditionell traut sich Laschet, der im Februar 60 Jahre alt geworden ist, diese Aufgabe zu. Vor Marathonsitzungen oder 18-Stunden-Tagen, wie sie Merkel absolviere, habe er „die allerwenigsten Manschetten“. Er schlafe ohnehin nur fünf, sechs Stunden. „Meine Frau fragt mich oft, wie ich das durchhalte.“ Am Dienstag sagte er im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin: „Als ich in die CDU eingetreten bin in meiner Jugend, habe ich das nie gemacht mit der Vorstellung, einmal Bundeskanzler zu werden. Meine Motivation war damals voller Idealismus, einen Beitrag zu leisten zu einer besseren Welt.“

Und was sagen langjährige Kenner der CDU? Der frühere Vize der Unionsfraktion und einflussreiche Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs (Koblenz) „ist froh, dass Armin Laschet Kanzlerkandidat wird“. Laschet werde völlig unterschätzt. Er habe 2017 gegen alle Prognosen die damalige SPD-Ministerpräsidentin Kraft in NRW geschlagen, die dortige CDU hinter sich gebracht und erreicht, dass sich Friedrich Merz wieder einreiht.

Heinz Schwarz (92), rheinland-pfälzisches CDU-Urgestein, ist mit einem Kanzlerkandidaten Armin Laschet sehr zufrieden. „Markus Söder hat die Landtagswahl in Bayern verloren, Laschet seine in NRW gewonnen“. Für Schwarz, der schon beim Gründungsparteitag der CDU im Jahr 1950 dabei war, gehört „Streit zur Demokratie. Dann wird abgestimmt“. Punkt. Den Bundesvorstand hält Schwarz für absolut legitimiert für die Entscheidung. „Er ist von der Basis von unten nach oben gewählt“, meint er zum Rumoren in Kreisverbänden im Gespräch mit unserer Zeitung in seinem Heimatort Leubsdorf am Rhein.

Noch völlig unklar ist, was die Entscheidung in der K-Frage für Laschets Amt als NRW-Ministerpräsident bedeutet. In Düsseldorfer Regierungskreisen wird erwartet, dass der 60-Jährige sein Regierungsamt in NRW während der unsicheren Phase bis zur Bundestagswahl am 26. September nicht preisgibt – zumal sich zurzeit kein „Kronprinz“ aufdrängt. Als Kandidaten gelten NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (51), Verkehrsminister Hendrik Wüst (45) und der Chef der CDU-Landtagsfraktion und Ex-Kriminalkommissar Bodo Löttgen (61). Laschet selbst hatte bereits in einem Interview darauf verwiesen, dass es bei anderen Ministerpräsidenten mit Kanzlerkandidatur durchaus üblich gewesen sei, während des Wahlkampfs im Amt zu bleiben – so etwa 1987 Johannes Rau (SPD) oder auch 2002 Edmund Stoiber (CSU). Die Opposition hat Zweifel, dass Laschet das hehre Ziel in seiner Ämterfülle umsetzen kann – derzeit ist er auch noch Vorsitzender der NRW-CDU.

Ulrich Steinkohl/Jörg Blank/ Bettina Grönewald/Ursula Samary