Berlin

„Jugendliche ohne Perspektiven“: Mehr junge Salafisten in Deutschland

Sie verteilen den Koran, werben aber auch mit Freizeitangeboten um Jugendliche: Die Zahl der Salafisten in Deutschland wächst. Forscherin Lamya Kaddor fordert, mehr zu tun, damit sich Jugendliche nicht radikalisieren.
Sie verteilen den Koran, werben aber auch mit Freizeitangeboten um Jugendliche: Die Zahl der Salafisten in Deutschland wächst. Forscherin Lamya Kaddor fordert, mehr zu tun, damit sich Jugendliche nicht radikalisieren. Foto: dpa/jo

Salafisten aus Deutschland posieren in Syrien neben Enthaupteten, um sich vor ihren Gesinnungsgenossen in der alten Heimat zu brüsten. Immer mehr Islamisten reisen von Deutschland nach Syrien und in den Irak aus, um die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen, bundesweit waren es laut Verfassungsschutz mehr als 450 Personen.

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6300 Islamisten gibt es in Deutschland, 250 mehr als ein Jahr zuvor, ihre Zahl wächst weiter. Die Politik ist auf der Suche nach einer Antwort auf diese Entwicklungen und auf die Frage, wie man verhindern kann, dass junge Menschen zu Salafisten werden oder sich dem IS anschließen.

Im Interview mit unserer Zeitung erklärt Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, dass vor allem die Familien in die Verantwortung genommen werden müssen. „Sie müssen lernen, die Probleme ihrer Kinder zu verstehen. Zugleich muss mehr Geld in die Jugendarbeit gesteckt werden“, fordert sie. Denn häufig sind es orientierungslose Jugendliche, die besonders empfänglich für die Propaganda des IS sind, erklärt Kaddor, „völlig unabhängig von Herkunft und Religion der Jugendlichen“. Das reduzierte Weltbild der Terrormiliz gebe den Jugendlichen Orientierung in einer komplexen Welt.

Beratungsstelle eingerichtet

Das Bundesamt für Migration hat inzwischen eine Beratungsstelle für Angehörige von Salafisten eingerichtet. Doch oft melden sich die Eltern erst, wenn es schon zu spät ist. Von „Präventionsbeauftragten“ in Moscheen ist nun im Bundesfamilienministerium die Rede und von der Unterstützung muslimischer Jugendorganisationen. Doch viele Moschee-Gemeinden und Migranten-Organisationen zögern. Sie fühlen sich durch die vom IS-Terror ausgelöste aktuelle Mediendebatte über „die Gefahren des Islams“ in die Ecke gedrängt.

In Syrien ist indes trotz der Luftangriffe der internationalen Koalition auf den IS die Kampfkraft der Extremisten laut Experten größer geworden. „In den vergangenen Monaten ist das militärische Potenzial der bewaffneten Gruppe gewachsen“, warnt eine unabhängige Untersuchungskommission in einem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat. Ausländische Dschihadisten spielen dabei eine erhebliche Rolle: „Die IS-Führungsstruktur wird weitgehend von ausländischen Kämpfern dominiert“, heißt es in dem Bericht.

Kaddor warnt: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass uns der gewaltbereite Salafismus noch länger begleitet. So schnell verschwindet er nicht wieder.“