In Pakistan hilft jeder – nicht nur Islamisten

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Die Regierung versagt, Hilfsorganisationen sind überfordert, nur die Islamisten leisten effektive Fluthilfe – das ist der verbreitete Eindruck im Westen nach der Flutkatastrophe in Pakistan. Moderate Pakistani kritisieren ihn als falsch. Tausende von ihnen helfen selbst – ohne jeden Hintergedanken.

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Islamabad. Die Studentin Saira Bano verfolgt weder politische noch religiöse Ziele, sie will nur helfen. Mit Mitstudenten an der Universität für moderne Sprachen in Islamabad hat die 24-Jährige genug Spenden gesammelt, um mehrere Lastwagen mit Hilfsgütern ins pakistanische Katastrophengebiet zu schicken. Der Eindruck, vor allem Islamisten würden die Notleidenden unterstützen und so für ihre Sache werben, sei falsch, sagt Bano. „Jeder hilft ihnen, nicht nur die Islamisten und Extremisten.“

Radikal-islamische Gruppen sind zwar in die Lücke gesprungen, die überforderte Hilfsorganisationen und Behörden in Pakistan bei der Flut ließen, und punkten damit bei Flutopfern. Doch die Extremisten sind längst nicht die einzigen Freiwilligen, die helfen. Immer mehr moderate, gebildete Muslime engagieren sich neben ihrer eigentlichen Arbeit, um das Leid ihrer Landsleute zu lindern.

Pakistan-Karte
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Studenten spenden

„Wir fingen an, Spenden an der Universität zu sammeln“, sagt Bano. „Wir baten Studenten, uns das zu geben, was sie entbehren können – ihr ganzes Taschengeld oder nur eine Rupie (umgerechnet 0,9 Euro-Cent), ein Glas, eine Tüte Weizenmehl oder eine Flasche Wasser. Wir bekamen viel mehr zusammen als wir erwartet hatten.“ Studenten an allen Universitäten der Hauptstadt helfen den Notleidenden inzwischen.

Aber nicht nur sie engagieren sich. Ärzte und Krankenschwestern reisen von Dorf zu Dorf, um Flutopfer kostenlos zu behandeln. Agrarwissenschaftler beraten Bauern, wie sie überspültes Ackerland wieder nutzbar machen können. Zwei prominente Fernsehmoderatoren haben sich zusammengetan und Millionen Rupien gesammelt.

Auch Künstler stehen den Freiwilligen in Sachen Hilfsbereitschaft in nichts nach. Popstar Abrar-ul-Haq wird für freizügige Lieder wie „Parveen, du bist so salzig“ von Islamisten gehasst. Für seine Hilfsorganisation „Sahara for Life“ hat er nun Hunderte Fans und Freiwillige mobilisiert, die Hilfsgüter in die Flutgebiete bringen.

Zwei Mahlzeiten am Tag

Der Sänger selbst ist gerade in Großbritannien. Bei einem Wohltätigkeits-Bankett in Manchester will er bei rund 1000 Gästen an diesem Sonntag umgerechnet etwa 150 000 Euro Spenden einsammeln. Schon jetzt hat Haqs Hilfsorganisation zwei Zeltdörfer im Katastrophengebiet errichtet, sagt ein Sprecher des Künstlers. 2000 Familien bekämen dort zwei Mahlzeiten am Tag, sauberes Wasser und medizinische Behandlung. Der Eindruck, extremistische Gruppen würden den Flutopfern am meisten helfen, ist falsch, sagt auch der Analyst Rasool Bux Raees von der Universität für Management-Wissenschaften in Lahore. Ausländische Beobachter hätten die Islamisten beim Hochwasser erst zum Thema gemacht. „Wie wenig sie auch unternehmen, es wird wegen der Einstellung vieler westlicher Medien hervorgehoben. Und die gute Arbeit der restlichen Gesellschaft und Organisationen wird nicht anerkannt.“

Nadeem Sarwar/Can Merey

Die Aktion HELFT UNS LEBEN unserer Zeitung sammelt Spenden für die Flutopfer: Konto 1313 bei der Sparkasse Koblenz (BLZ 570 501 20) oder der SEB Bank (BLZ 570 101 11), Stichwort „Pakistan“, oder im Internet unter www.helftunsleben.de