Mainz/Berlin

Hygienemängel in Kliniken: Kunstfehler im System?

Wer eine Glasvase umstößt, hört es unmittelbar scheppern. Wer folgenschwer gegen Hygienevorschriften verstößt, erkennt den Fehler oft nicht sofort. Lautlos, aber gefährlich sind die Keime in Krankenhäusern. Und sie werden zudem oft unterschätzt.

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Wer eine Glasvase umstößt, hört es unmittelbar scheppern. Wer folgenschwer gegen Hygienevorschriften verstößt, erkennt den Fehler oft nicht sofort. Lautlos, aber gefährlich sind die Keime in Krankenhäusern. Und sie werden zudem oft unterschätzt.

Von unserer Reporterin Anne Fuhrmann

Mainz/Berlin – Sie kleben am Operationsbesteck, an Türgriffen, an den Patienten selbst: bedrohliche Viren und Bakterien. Leichte Handgriffe könnten deren schwere Folgen verhindern – und doch werden Hygienevorschriften immer wieder verletzt. Die Frage, ob genug gegen die Gefahr von Infektionen getan wird, ist heftig umstritten.

Auch in Mainz gab es womöglich eine fatale Lücke im System. Eigentlich sollte die Flüssignahrung, die zehn Säuglinge und ein fünfjähriges Kind auf der Intensivstation der Uniklinik bekamen, das Leben der Kinder retten. Doch Keime verunreinigten die Lösung. Nun besteht der Verdacht, dass der Hygienemangel neun Kinder in Lebensgefahr gebracht hat und schuld am Tod von zwei Säuglingen ist. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln: Was hat zum Tod der Babys geführt?

Das Mainzer Unglück gilt als Spezialfall.

Eine traurige Parallele mit anderen Erkrankungen gibt es allerdings: Infektionen mit tödlichem Ausgang sind an deutschen Kliniken keine Seltenheit. 15 000 bis 20 000 Patienten sterben jährlich an den Folgen von Viren und Bakterien, die sie sich während eines Krankenhausaufenthalts eingefangen haben. Nach Informationen des Robert Koch-Instituts wäre ein Drittel aller Ansteckungen vermeidbar.

Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, fordert daher eine bundesweit einheitliche Kontrolle der Kliniken. „Alles passiert nur in Eigenverantwortung“, kritisiert er. Zwar sind die Gesundheitsämter angehalten, jede Klinik mindestens einmal im Jahr zu überprüfen. Die Gründlichkeit der Kontrolle ist je nach Bundesland aber unterschiedlich. Und lediglich Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Sachsen orientieren sich an den Hygienerichtlinien des Robert Koch-Instituts.

Tägliche Routinekontrolle brachte Verschmutzung in Mainz ans Licht

Eine tägliche Routinekontrolle brachte in Mainz ans Licht, dass die Nahrungslösung mit Darmbakterien verschmutzt worden war. Der Fall zeigt daher nach Ansicht von Dr. Andreas-Georg Kiefer, Vorsitzender der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz, dass es nicht mehr Überprüfungen und Regeln bedarf. „Die Überwachung solcher Produkte ist schon sehr engmaschig“, sagt der Apotheker – und spricht von „doppelt und dreifachen“ Überprüfungen und „Bergen von Bestimmungen“.

„Kontrolle allein reicht aber nicht aus“, betont Zastrow. Er prangert an, dass es in deutschen Kliniken zu wenige Hygieneärzte und nicht genügend geschultes Klinikpersonal gibt, oftmals aus finanziellen Gründen. „Es ist ein absoluter Fehler zu denken, dass Hygiene Geld kostet.“ Nach Ansicht von Zastrow könnten die Krankenhäuser durch weniger Infektionen sogar viel Geld sparen.

Zudem sind viele Mittel zur Bekämpfung von Keimen simpel und billig

„Häufiges Händeschütteln vermeiden, Desinfizierungsgeräte aufstellen und Patienten beobachten“, fasst Christian Zimmermann, Präsident des Allgemeinen Patienten-Verbands, die wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen zusammen.