Doha

Heiße Luft im Kampf gegen die Erwärmung

Erdkugel
Die westliche Hemispähre der Erdkugel: Der UN-Klimagipfel in Doha steht auf der Kippe. Foto: DPA

Für Außenstehende mag es absurd sein, warum nach zwei Wochen Gipfel meist so wenig herauskommt. Das Problem ist stets, alles Besprochene und zwischen 194 Staaten Verhandelte so in konsensfähige Abschlusspapiere zu komprimieren, dass die Minister dies noch verstehen. Altmaier fragt sich bei seinem ersten UN-Klimagipfel gleich nach wenigen Stunden Präsenz, ob diese Mammutkonferenzen noch was taugen.

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Doha – Peter Altmaier nestelt an seinem grünen Band, löst den Knoten und lässt es schließlich in der Hemdtasche verschwinden.

Stunden zuvor hatte ihm die 18-jährige Judith Gebbe von der Bewegung „youthinkgreen“ das Band angelegt, als Zeichen des gemeinsamen Einsatzes gegen das globale Problem Erderwärmung. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon haben die Jugendlichen ein solches Klimaband zukommen lassen. „Wir sind die Generation, die darunter leiden wird“, betont Gebbe.

Nun ist das Bändchen bei Altmaier am Ende eines langen Tages wieder ab. Seine Kritiker beim UN-Klimagipfel in Doha könnten darin ein symbolhaftes Bild sehen, dass er sich der Sache hier nicht so recht verschreiben will, aber das wäre wohl etwas unfair.

Stundenlange Gespräche, aber nur wenig Ertrag

Für Altmaier ist Doha auf der einen Seite ein Kampf mit den Mühen der Ebene. EU-Koordinierungen, komplexe Details, stundenlange Zusammentreffen – bei wenig Ertrag. Altmaier hat für die vielen Nachtsitzungen ein Kissen eingepackt. Ihm dürfte Angst machen, was der katarische Konferenzpräsident Abdullah bin Hamad el Attiyah am Freitag den Teilnehmern sagte: „Ich habe viel Zeit. Ich kann hier ein Jahr mit Ihnen sitzen.“ Der Freitag war eigentlich als Abschlusstag eingeplant.

Für Außenstehende mag es absurd sein, warum nach zwei Wochen Gipfel meist so wenig herauskommt. Das Problem ist stets, alles Besprochene und zwischen 194 Staaten Verhandelte so in konsensfähige Abschlusspapiere zu komprimieren, dass die Minister dies noch verstehen.

Altmaier fragt sich bei seinem ersten UN-Klimagipfel gleich nach wenigen Stunden Präsenz, ob diese Mammutkonferenzen noch was taugen. „Sie haben den Nachteil, dass manchmal der Langsamste im Geleitzug das Tempo bestimmt.“ Lieber redet er in Doha über seinen Klub der Energiewendestaaten, den er aus der Taufe heben will.

Doch mit mehr Wind- und Solarparks allein lässt sich das Klima nicht retten, zumal wenn die anderen weiter munter Kohlendioxid in die Luft pusten. Einer aus seiner Entourage fragt, ob sich Altmaier mit seiner Kritik an solchen UN-Gipfeln einen schlanken Fuß machen wolle, weil es hier für ihn ohnehin recht unglücklich laufe. Denn Doha ist für Altmaier auch ein Kampf in eigener Sache.

Angefangen hat alles damit, dass sich in Deutschland keiner so recht für den UN-Klimagipfel interessierte, eine Bundestagsdebatte zu Doha fand am 29. November vor fast leerem Plenum ab 19.30 Uhr statt. Der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe sagte da unter anderem mit Blick auf einen eher unambitionierten Antrag von Schwarz-Gelb: „Es ist eine absurde Situation: Wir beraten hier im Deutschen Bundestag Anträge zur Klimakonferenz in Doha. Eigentlich müssten Sie von der Koalition Herrn Altmaier den Rücken für die Reise nach Doha stärken.“ Schwarz-Gelb schicke Altmaier rückgratlos nach Doha, worauf der CSU-Politiker Georg Nüßlein einwarf: „Er hat selbst Rückgrat“.

Da die FDP und ihr Wirtschaftsminister Philipp Rösler sich mit Macht dagegenstemmen, dass die EU ihr Ziel bei der Minderung klimaschädlicher CO2-Emissionen bis 2020 von 20 auf 30 Prozent hochschraubt, bekam Altmaier kein starkes Mandat der Koalition. Die FDP fürchtet sonst um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Und auch Kanzlerin Angela Merkel, die 1997 das Kyoto-Protokoll als Umweltministerin mit ausgehandelt hatte und mal als „Klimakanzlerin“ galt, schwieg vor Doha. Vor der Landtagswahl in Niedersachsen taugt das Emissionsthema wohl nicht für einen Koalitionskonflikt.

Um aber das Thema zu beflügeln, gab Altmaier in Deutschland vor der Abreise ein Interview nach dem anderen – und erweckte den Eindruck, die 30-Prozent-Marke in Doha notfalls im Alleingang durchsetzen zu wollen, trotz des FDP-Vetos und gegen den Widerstand Polens. Das wäre wohl schon aus historischen Gründen keine so gute Idee. Polen möchte mit mehr Kohlekraft unabhängiger von russischem Gas werden. Altmaier versucht seit Monaten, mit seinem Amtskollegen Marcin Korolec eine Einigung zu finden.

Von Umweltschützern war die 30-Prozent-Marke als Signal gesehen worden, um die schwierigen Verhandlungen nach vorn zu bringen und um die großen Blockierer aus den USA und China auch zu mehr zu bewegen. Denn erst ab 2020 soll es den Weltklimavertrag geben. Wenn alle bis dahin nur das gegen die immer weiter steigenden Emissionen tun, was sie bisher schon tun, könnte das Klimaproblem aus dem Ruder laufen. Die EU will sich zumindest mit einigen anderen Staaten über eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls weiter binden. Doch ohne höhere EU-Ambitionen wäre dies mehr heiße Luft als mehr Klimaschutz.

International gibt es keine guten Aussichten

Doch direkt nach der Ankunft in Katars Hauptstadt – nach zwei langen und anstrengenden Tagen beim CDU-Parteitag – stellte Altmaier klar, dass er vorerst keine Chance für eine Erhöhung des EU-Ziels auf 30 Prozent in Doha sehe. Generell sehe es international ziemlich schlecht aus, was mehr Klimaschutz betreffe. Diese Erkenntnis war für langjährige Teilnehmer solcher Konferenzen so neu nicht.

Regina Günther, Klimaexpertin der Umweltstiftung WWF, bilanziert ernüchtert: „Deutschland ist nicht sprechfähig. Die EU ist nicht sprechfähig. Damit fehlt hier eindeutig eine Lokomotive.“ Georg Ismar