Gorbi, Atari und Nintendo: Der Krimi um die Tetris-Lizenzen

"Tetris"-Entwickler Alexei Leonidowitsch Paschitnow (54).
"Tetris"-Entwickler Alexei Leonidowitsch Paschitnow (54). Foto: picture-alliance/ dpa

Alexej Paschitnow staunte nicht schlecht, als da im Sommer 1986 dieser Engländer in Moskau vor ihm stand. Robert Stein hieß der Mann aus dem Westen und bot ihm 10 000 Pfund Vorschuss für die Verkaufsrechte an Paschitnows Erfindung Tetris an – jenes Spiel, das im Osten längst die Computer-Fans begeisterte. Auch Stein war fasziniert und machte klar, dass er Tetris unter allen Umständen im Westen vermarkten wolle.

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Alexej Paschitnow staunte nicht schlecht, als da im Sommer 1986 dieser Engländer in Moskau vor ihm stand. Robert Stein hieß der Mann aus dem Westen und bot ihm 10 000 Pfund Vorschuss für die Verkaufsrechte an Paschitnows Erfindung Tetris an – jenes Spiel, das im Osten längst die Computer-Fans begeisterte. Auch Stein war fasziniert und machte klar, dass er Tetris unter allen Umständen im Westen vermarkten wolle.

Von unserem Reporter Daniel Weber

Da es in der Sowjetunion kein persönliches Urheberrecht gab, kam die Antwort nicht vom Erfinder selbst, sondern vom Computerzentrum, in dem Paschitnow arbeitete. Per Telex bekundeten die Russen grundsätzliches Interesse. Mehr nicht. Stein genügte das. Der Software-Agent, an formlose Handschlag-Deals der Branche im Westen gewöhnt, wertete die Geste als Zusage und machte sich eilig daran, die Vertriebsrechte an die Maxwell-Tochterfirmen Mirrorsoft in Großbritannien und Spectrum HoloByte in den USA zu verkaufen – ein Riesenfehler.

Denn kaum war die erste Version auf dem Markt, erhielt Stein erneut ein Telex aus Moskau. Diesmal war der Absender Elorg, die sowjetische Lizenzierungsstelle für Computer-Software, und der Ton war jetzt merklich rauer. Die Apparatschiks machten Stein klar, dass die Rechte an Tetris nie vergeben worden seien. Zwar gelang es Stein die Russen zu besänftigen, und er erhielt auch wie erhofft für Maxwell die Rechte für PC-Spiele. Der große Markt lag damals allerdings bei den Videokonsolen. Und um diese lukrative Lizenz rissen sich ab 1988 nun gleich drei Parteien: Stein selbst, Henk Rogers, ein amerikanischer Software-Spezialist, der Tetris im Auftrag von Nintendo für den neuen „Game Boy“ erwerben sollte, sowie der Maxwell-Konzern. Letztgenannter hatte dem US-Konsolenhersteller Atari bereits voreilig grünes Licht für die Produktion einer Videospiel-Version gegeben.

In Moskau kam es zum Showdown: In einem perfide inszenierten Verhandlungsmarathon erwiesen sich die Sowjets als ausgebuffte Kapitalisten: Sie hatten die Konkurrenten ohne deren Wissen zeitgleich zur Elorg-Behörde bestellt und verhandelten parallel. Henk Rogers hielt dabei zwei Asse im Ärmel: Zum einen hatte er als einziger der drei Parteien ein unbelastetes Verhältnis zu den Russen, zum anderen mit Nintendo einen extrem finanzstarken Partner. Die Trümpfe stachen: Für eine halbe Million Dollar sicherte er sich die Spielkonsolenlizenzen bis 1996.

Für Nintendo war dies der Beginn einer Erfolgstory. Tetris ging alleine in den Folgejahren mehr als acht Millionen Mal über die Ladentheken und machte vor allem den Game Boy zum Verkaufsschlager.

Für die Konkurrenz brachte die Niederlage dagegen ein böses Erwachen. Medienmogul Robert Maxwell bemühte sogar noch seine Kontakte zu KP-Chef Michail Gorbatschow, um doch noch an die Lizenz zu kommen. Vergebens. Härter noch traf es Atari: Weil Maxwell den Zuschlag nicht bekommen hatte, stand der damalige Branchenriese aus den USA nun ohne Tetris-Lizenz da – hatte aber bereits Millionen Dollar in die Entwicklung und das Marketing des Spiels versenkt. Atari ging gegen Nintendo gerichtlich vor, unterlag und verschwand Jahre später sogar komplett vom Markt.