Geiseldrama von Gladbeck: Drei bleierne Tage im August
Bis zum 18. August 1988 kreuzen sie durch die damals noch geteilte Republik, kapern in Bremen einen Linienbus mit rund 30 Geiseln, geben Journalisten Interviews. Als die Polizei an der Autobahnraststätte Grundbergsee Komplizin und Gangsterfreundin Marion Löblich abfängt, stellen die Verbrecher ein Fünf-Minuten- Ultimatum.
Die Zeit verstreicht, und Degowski erschießt den 15- jährigen Emanuele de Georgi, der sich in dem Bus schützend vor seine kleine Schwester gestellt hatte. Es war nicht gelungen, Löblich rechtzeitig die Handschellen wieder abzunehmen, weil sich der Beamte mit dem Schlüssel entfernt hatte. Der Bus fährt weiter in die Niederlande.
Bei der Verfolgung verunglückt ein Polizist tödlich, ein weiterer wird schwer verletzt. Ein dpa-Reporter wird von den Gangstern beschossen und leicht verletzt.
Bizarre Pressekonferenz in der Kölner Fußgängerzone
In den Niederlanden werden Komplizin Löblich und der Busfahrer verletzt. Die Täter erpressen ein neues Fluchtauto und setzen mit der Geisel Silke Bischoff und ihrer Freundin die Fahrt fort. Sie geben in der Kölner Fußgängerzone eine bizarre „Pressekonferenz“. Die Polizei kann den umlagerten Fluchtwagen nicht stürmen. Ein Journalist steigt zu den Gangstern in den Wagen und lotst ihn aus der Stadt.
Später wird der Deutsche Presserat festlegen, dass Interviews mit Straftätern während der Tat nicht sein dürfen. Als nach 54 quälenden Stunden der Zugriff einer Spezialeinheit bei Bad Honnef erfolgt – die Gangster haben Köln verlassen und wollen nach Frankfurt –, haben die Beamten die Fernbedienung vergessen, mit der sie den Motor der schweren Fluchtlimousine hätten ausschalten können. Sie müssen den Wagen in einem waghalsigen Manöver bei Tempo 100 auf der Autobahn rammen.
Es kommt zu einer Schießerei, bei der die 18-jährige Silke Bischoff stirbt – durch eine Kugel aus Rösners Waffe. In der Folge tagen in Bremen und Düsseldorf Parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Der Bremer Innensenator Bernd Meyer (SPD) tritt wegen des Dramas zurück. Die Polizei organisiert sich für solche Ereignisse neu, trifft länderübergreifende Absprachen. Seither sitzen Rösner (56) und Degowski (57), jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt, in nordrhein- westfälischen Gefängnissen. Für Degowski ist eine Freilassung inzwischen nicht mehr ausgeschlossen.
Er hat seine Mindesthaftzeit von 24 Jahren verbüßt. In dieser Woche brütet eine Haftprüfungskammer über seinem Fall. Der Gutachter hat sich aber bereits gegen die Entlassung ausgesprochen. Rösner soll noch mindestens zwei weitere Jahre absitzen. Außerdem wurde er 2009 zusätzlich zu sechs Monaten Haft verurteilt, nachdem in seiner Zelle sieben Gramm Heroin entdeckt worden waren.
Mittäterin Löblich hat ihre Strafe von neun Jahren längst abgesessen. Wegen Morddrohungen wurde sie danach mit einer neuen Identität ausgestattet.