Geheimdienst: Snowden in den Schlingen der Politik

Russlands Außenminister Sergej Lawrow ist eigentlich ein kontrollierter Mann. Umso bemerkenswerter, dass der Chefdiplomat nun vor seinem Treffen mit US-Außenminister John Kerry in Brunei die Beherrschung verlor.

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„Schreien Sie mich nicht so an!“ wies Lawrow eine US-amerikanische Journalistin zurecht, die ihn bei einem Fototermin zu dem weiteren Schicksal von Edward Snowden befragen wollte. Die Nerven liegen blank bei Russlands Mächtigen. Je länger der Ex-Agent Snowden in Moskau festsitzt, desto größer wird das Problem für sie. Seinen Asylantrag für Russland hat der 30-jährige Amerikaner zurückgezogen. „Er hat seine Absicht und seine Bitte, in Russland zu bleiben, revidiert“, sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

Er bestätigte auch Berichte, wonach Snowden zuvor einen Asylantrag in Russland gestellt hatte. Putins Bedingung Kremlchef Putin hatte Snowden politisches Asyl in seinem Land angeboten. Allerdings unter einer Bedingung: Der ehemalige technische Mitarbeiter der US-Geheimdienste CIA und NSA müsste aufhören, Washington zu schaden. Snowden hatte mit seinen Enthüllungen über Ausspähprogramme amerikanischer und britischer Geheimdienste weltweit für einen Aufschrei gesorgt.

Nachdem er sich als Informant geoutet hatte, war er von China nach Moskau gereist. Von dort wollte er nach Ecuador weiterfliegen, wo man ihm Zuflucht zugesagt hatte. Doch erst annullierten die USA Snowdens Reisepass, dann erklärte Ecuador das Übergangsdokument für ungültig, das ihm die Reise nach Moskau möglich gemacht hatte. Nun hängt er seit mehr als einer Woche in Russland fest – angeblich im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo.

Die von Putin gestellte Bedingung des Stillschweigens scheint Snowden unannehmbar. Lieber will der 30-Jährige weiter Lauschangriffe der USA in aller Welt enthüllen, als sich in Putins schützende Umarmung zu begeben. Deshalb lehnte er Putins Forderung ab, seine „antiamerikanische Tätigkeit“ zu beenden. Als früherer russischer Geheimdienstchef ist Putin bestens vertraut mit fein gesponnenen Intrigen. Der 60-Jährige dürfte gewusst haben, dass Snowden dieses unmoralische Angebot, Asyl in Russland mit seinem Schweigen zu erkaufen, nicht annehmen konnte.

Putin habe diesen Kompromiss wohl deshalb so angeboten, um die USA nicht vollkommen zu verärgern, meinte der Politologe Leonid Poljakow. Putins Sprecher Peskow betonte aber noch einmal, Russland werde den Ex-Spion nicht an die USA ausliefern. „Snowden hält sich aus tiefster eigener Überzeugung oder aus anderen Gründen für einen Menschenrechtler, einen Kämpfer für die Ideale der Demokratie und Freiheit“, sagt Peskow.

Das werde auch von Menschenrechtlern in Russland und im Ausland so gesehen. Daher bezeichnete er eine Auslieferung an die USA, wo es die Todesstrafe gibt, als nicht statthaft. Unterdessen wurde bekannt, dass Snowden von Moskau aus Asylanträge für 21 Länder gestellt hat – darunter auch Deutschland. Etwa die Hälfte dieser Staaten hat ihm bereits eine Absage erteilt. Damit bleibt der Schwarze Peter zunächst bei der russischen Führung.

Wie die „Nesawisimaja Gazeta“ kommentiert, gibt es keine wirklich gute Lösung für das Problem. „Man hat Russland in ein zu enges Bett gelegt, und jetzt dreht es sich herum, um irgendwie bequemer zu liegen.“ Eine Auslieferung Snowdens an die USA würde einen weltweiten Aufschrei der Menschenrechtslobby zur Folge haben. Bleibt Snowden aber weiter in Russland, würde das nur nach einem Affront gegen die USA aussehen. Es wirke unnatürlich und unglaubwürdig, schreibt die Zeitung, wenn sich der Kreml nun zum Verteidiger der Menschenrechte aufschwingt.

Kritik der Menschenrechtler Putins Gegner und Menschenrechtler werfen dem Kreml seit Langem vor, längst einen Überwachungsstaat nach sowjetischem Vorbild geschaffen zu haben. Wohl auch deshalb dürfte Snowden seit seiner Landung aus Hongkong mit einem Asylantrag in Russland gezögert haben. Sein Schicksal bleibt nun aber vorerst weiter in den Händen Russlands, das den Transitbereich auf dem Flughafen Scheremetjewo mit Sicherheitskräften unter Kontrolle hat.

hei/dpa