Rheinland-Pfalz

Gebremste Frauenpower: Warum weibliche Führungskräfte in Deutschland immer noch eher rar sind

Von Wolfgang Jung
Mehr Chefinnen braucht das Land, findet die Mainzer Familienministerin Anne Spiegel (Grüne). Doch so richtig kommt das Projekt nicht voran. Wir haben mit Managerinnen und Experten über die Gründe gesprochen.
Mehr Chefinnen braucht das Land, findet die Mainzer Familienministerin Anne Spiegel (Grüne). Doch so richtig kommt das Projekt nicht voran. Wir haben mit Managerinnen und Experten über die Gründe gesprochen. Foto: Adobe Stock

Über das oft gehörte Klischee von der „Frau im typischen Männerberuf“ kann Cornelia Walde nur lachen. „Diesem Stereotyp bin ich zum Glück selten begegnet – egal, ob beim Werker oder beim Geschäftsführer“, sagt die Werksleiterin in Zweibrücken. Klischees wie dieses würden sich schnell abnutzen. „Vielmehr ist der Anspruch: Man muss etwas leisten, für seine Mitarbeiter da sein, kompetent sein“, betont die 39-Jährige.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Walde leitet das Werk des Landmaschinenherstellers John Deere in der pfälzischen Stadt. Ihr Fuhrpark sind Mähdrescher und Feldhäcksler. Die Riesen des Ackerbaus sind Hunderte PS stark, tonnenschwer und besitzen gewaltige Korn- und Dieseltanks. Binnen Stunden erledigen sie Arbeiten, die früher Tage dauerten. Was fasziniert Walde an den Giganten der Landwirtschaft? „Die Komplexität und die Power, die in ihnen steckt. Die Maschinen vereinen viele Arbeitsschritte“, sagt sie.

Walde ist eine der eher wenigen Frauen im Land in einer Führungsposition. In Rheinland-Pfalz hatten 2019 nur 2,9 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 65 Jahren eine Topposition inne, bei den Männern waren es hingegen rund 6 Prozent. Namhafte Chefinnen finden sich aber durchaus auch im nördlichen Rheinland-Pfalz: Susanne Szczesny-Oßing, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz, führt die EWM AG in Mündersbach (Westerwaldkreis), eine Spezialfirma für Schweißtechnik.

IHK-Vizepräsidentin Hildegard Kaefer betreibt mit ihrer Schwester ein angesehenes Porzellanhaus in Sohren (Rhein-Hunsrück-Kreis). Heike Horn ist Geschäftsführerin im Triumvirat bei Schaefer Kalk in Diez (Rhein-Lahn-Kreis). Die Agraringenieurin Antje Eckel steht an der Spitze von Dr. Eckel in Niederzissen (Kreis Ahrweiler), einem Hersteller von Futterzusätzen. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Rollenverteilung ist oft noch starr

Doch die oft starre Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen hemmt nach Einschätzung des Mainzer Familienministeriums den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. „Überwiegend sind es immer noch Frauen, die sich um die Familie kümmern“, teilt das Ministerium in Mainz mit.

Für viele Frauen gehe unbezahlte Arbeit zu Hause zulasten beruflicher Entwicklungschancen, während Männer oft Karriere machen könnten. „Der Frauenanteil an Teilzeitbeschäftigten in Rheinland-Pfalz liegt bei 82,7 Prozent, während er bei Männern nur 17,3 Prozent beträgt.“ Als weiteres Hindernis für den beruflichen Aufstieg von Frauen sieht das Ministerium die Präsenzkultur vieler Firmen. „Hier wäre ein Umdenken wichtig: mehr Offenheit für Führen in Teilzeit, Jobsharing in Toppositionen.“

Knapp 100 Kilometer von Zweibrücken entfernt sitzt die geschäftsführende Gesellschafterin Martina Nighswonger in Kleinkarlbach (Kreis Bad Dürkheim) am Schreibtisch des Chemieunternehmens Gechem. „Ich bin eine Förderin von Frauen, aber eine vehemente Gegnerin der Quote“, sagt die gebürtige Mannheimerin. „Man braucht aus meiner Sicht keine Quote, sondern individuelle und intelligente Lösungen. Ich gehe so weit zu sagen: Wenn eine Frau gut ist, hat sie auch ohne Quote eine Chance.“

Nighswonger hat das Unternehmen mit etwa 150 Beschäftigten 2010 als Quereinsteigerin übernommen. Zuvor war sie fast 30 Jahre lang im Bankwesen tätig. Die Trägerin der Wirtschaftsmedaille der Landesregierung in Mainz ist Vizepräsidentin der IHK Pfalz. „Ich würde mich als Frau im Vorstand eines DAX-Unternehmens, das eine Quote hat, ständig fragen: ,Bin ich hier, weil ich gut bin, oder weil ich eine Frau bin?‘“, sagt Nighswonger.

„Mir missfällt besonders, dass Ministerien und Verwaltungen zum Thema Quote zwar selbst nichts auf die Reihe bekommen, aber die Wirtschaft gängeln wollen.“ Im Mittelstand und in wissenschaftlichen Bereichen betrage der Anteil von Frauen in gehobenen Positionen schon etwa 40 Prozent.

Auch in Ludwigshafen will man künftig neue Wege gehen. Der Chemiekonzern BASF kündigte an, den Frauenanteil an seinen Führungskräften bis 2030 auf 30 Prozent steigern zu wollen. Damit würde BASF dann immerhin schon mal zum Spitzenfeld in Deutschlands erster Börsenliga gehören. Der Frauenanteil in den Topetagen der 30 DAX-Konzerne liegt zum heutigen Weltfrauentag bei 16,6 Prozent, nachdem er vor sechs Monaten auf nur 12,8 Prozent gesunken war.

„Die deutschen Unternehmen haben im internationalen Vergleich sehr viel aufzuholen“, sagen die Geschäftsführer der gemeinnützigen Allbright Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg. „Der Druck von Öffentlichkeit und Investoren hat sich in den vergangenen Monaten deutlich erhöht. Hält die Dynamik an, werden wir im kommenden Herbst den größten Zuwachs der vergangenen fünf Jahre verzeichnen“, sagten Ankersen und Berg voraus. In den Vorständen der insgesamt 160 Unternehmen der DAX-Familie – einschließlich MDAX und SDAX – arbeiten Anfang März 613 Männer und 86 Frauen. Das entspricht einem Frauenanteil von 12,3 Prozent.

Neuen Schub könnte jetzt die Einigung der Bundesregierung auf eine Frauenquote in Großunternehmen bringen. In Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern soll künftig mindestens eine Frau sitzen. Das Gesetz soll vor der Bundestagswahl verabschiedet werden.

Neue Regeln helfen nur begrenzt

Die Mainzer Frauenministerin Spiegel (Grüne) zeigt sich aber skeptisch, dass das Zweite Führungspositionen-Gesetz für Vorstände börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen ausreichen wird. „Ich hätte mir statt eines Mindestbeteiligungsgebot für die Vorstände eine feste Quote gewünscht, wie wir sie in den Aufsichtsräten dieser Unternehmen bereits haben“, sagte die Grünen-Politikerin in Mainz.

Bundesweit sind 105 Unternehmen börsennotiert und paritätisch mitbestimmungspflichtig, davon aber nur vier in Rheinland-Pfalz. Und nur rund 70 dieser Unternehmen haben einen Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern. „Das bedeutet, dass der Wirkungskreis der neuen Regelung sehr begrenzt ist“, klagt Frauenministerin Spiegel. Das Gesetz würde für Rheinland-Pfalz demnach nur eine geringe Wirkung entfalten – und wohl kaum mehr Frauen in Führungspositionen bringen.