Fußball: Die Bundesliga ist längst ein Kulturgut

Längst verschwimmen am Samstagnachmittag in Deutschland die gesellschaftlichen Grenzen: Wenn um 15.30 Uhr der Ball rollt, fiebern Jung und Alt, Arm und Reich – und inzwischen auch Frau und Mann gleichermaßen mit.

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Von unserem Redakteur Sven Sabock

Dann zieht die Fußball-Bundesliga Millionen Menschen in ihren Bann, rund 500 000 pilgern allein jedes Wochenende in die Stadien. Was im August 1963 als großes Abenteuer für damals 16 Vereine begann, ist heute, 50 Jahre später, zu einem ungeahnten Erfolgsmodell geworden. Der einstige „Proletensport“ hat eine bemerkenswerte Wandlung hin zum Kulturgut vollzogen, ein Ende des „Booms“, wie neudeutsch der Aufschwung charakterisiert wird, ist nicht absehbar.

Die Liga setzt mittlerweile mehr als 2 Milliarden Euro pro Spielzeit um, die Klubs sind zu Wirtschaftsunternehmen geworden. Einer der Hauptgründe dafür, dass die Bundesliga als Hochglanzprodukt die Massen fasziniert, liegt zweifellos darin begründet, dass bei den meisten Vereinen kühle Rechner im Hintergrund sorgsam mit den Millionen umgehen, die durch Zuschauer und Sponsoren, vor allem aber durch die Fernsehvermarktung in die Kassen gespült werden.

Die 36 Klubs der Ersten und Zweiten Liga durften in der abgelaufenen Saison 438 Millionen Euro verbuchen, in dieser Spielzeit werden es 560 Millionen sein. Geld, das dank der Zentralvermarktung nicht den Branchengrößen wie dem FC Bayern oder Borussia Dortmund zugutekommt, sondern auch der breiten Masse der Vereine. Die Macher sind zudem schlau genug, nicht nur in Beine, sondern auch in Steine zu investieren.

Allerorts wird in modernen und familienfreundlichen Arenen gekickt, was der Bundesliga einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil verschafft. Abgesehen von einigen unverbesserlichen Fans, die durch das Zündeln auf den Tribünen oder handfeste Auseinandersetzungen mit Polizei und/oder gegnerischen Anhängern das Gesamtbild trüben, gelten die Stadien als sicher – und die Stimmung als friedlich. Weil das Gesamtpaket stimmt, folgen immer mehr internationale Stars dem Ruf der Bundesliga. Sicher, auch in früheren Tagen versuchten ausländische Top-Spieler hierzulande ihr Glück.

Galt der Wechsel des Engländers Kevin Keegan in den 1970er-Jahren zum HSV noch als Sensation, gehören derlei Transfers heute fast schon zum Alltag. Wer hätte damals gedacht, dass eine spanische Fußball- Ikone wie Raul von Real Madrid den Weg zum FC Schalke finden würde? Oder dass der FC Bayern in Pep Guardiola den begehrtesten Trainer der Welt verpflichtet? Keine Frage, die Anzeichen verdichten sich, dass sich derzeit auf Europas Fußball-Bühne ein Wertewandel vollzieht.

Die Bundesliga ist auf dem besten Weg, vor allem in der Breite den Ligen in Italien und Spanien den Rang abzulaufen. Auf dem Apennin ist seit der WM 1990 die Zeit stehen geblieben, neben den weitgehend maroden Stadien hat die dortige Serie A ein ausgewachsenes Gewaltproblem. Lag einst für Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Co. das gelobte Land jenseits des Brenners, ist heute für Miroslav Klose oder aktuell Mario Gomez ein Engagement in Italien wohl eher mangelnden Alternativen geschuldet.

Und in Spanien macht die wirtschaftliche Krise auch vor der Liga nicht Halt, deren Klubs insgesamt an Schulden fast 4 Milliarden Euro (!) aufgehäuft haben. Allenfalls die englische Premiere League ist der Bundesliga noch an wirtschaftlicher Potenz überlegen. Allein, im Mutterland des Fußballs wird dafür ein hohes Gut geopfert.

Durch die Investoren aus aller Herren Länder entfernen sich die Klubs immer mehr von ihren Fans, die exorbitanten Eintrittspreise sind da nur ein negativer Aspekt. Auf dem schmalen Grat zwischen Kommerz und Tradition ist es der Bundesliga bislang gelungen, einen Ausgleich der Interessen zu wahren. Nur ein Beispiel: Die ARD-Sportschau um 18 Uhr bleibt hierzulande ein festes Ritual – für Jung und Alt, Arm und Reich.