Berlin

Friedrich: Staat finanziert keinen Terror

Wie viele von ihnen sind V-Leute? Die Durchsetzung der NPD und der Neonazigruppen mit Kontaktpersonen der Geheimdienste wird zu einem immer größeren Problem.
Wie viele von ihnen sind V-Leute? Die Durchsetzung der NPD und der Neonazigruppen mit Kontaktpersonen der Geheimdienste wird zu einem immer größeren Problem. Foto: DPA

Von einem „kläglichen Scheitern“ der Geheimdienste hat CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich im Umgang mit der Mordserie der Zwickauer Rechtsterroristen gesprochen. Im Interview ist er versöhnlicher: „Es geht jetzt um Verbesserungen in der Sache und nicht um persönliche Schuldzuweisungen.“

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Berlin – Von einem „kläglichen Scheitern“ der Geheimdienste hat CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich im Umgang mit der Mordserie der Zwickauer Rechtsterroristen gesprochen. Im Interview ist er versöhnlicher: „Es geht jetzt um Verbesserungen in der Sache und nicht um persönliche Schuldzuweisungen. Wo Menschen agieren, wird es immer auch Fehler geben.“

Müssen alle V-Leute abgezogen werden, um das NPD-Verbot neu in Gang zu bringen?

Das Bundesverfassungsgericht hat beim ersten Verfahren sehr deutlich gemacht, was es von uns erwartet: Wenn wir V-Leute in der Partei haben, die selbst aktiv mitmischen, dann ist die „Staatsferne“ nicht gegeben, das heißt, die Beweise gegen die NPD sind nicht verwertbar. Um jedes Risiko auszuschließen, müssten wir alle V-Leute abschalten. Ob es einen gangbaren Mittelweg gibt, werden wir prüfen.

Ist es hinnehmbar, mit staatlichen Geldern über die V-Leute indirekt auch die NPD zu finanzieren, im Umfeld sogar Terrorhelfer zu unterstützen?

Der Staat finanziert keinen Terror. Dafür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte. Richtig ist aber auch, dass V-Leute ebenfalls Extremisten sind und nur über finanzielle Anreize Informationen an den Staat weitergeben.

Müssen Verfassungsschutz und Polizei mehr verzahnt werden?

Ja. Wir brauchen die bessere Verzahnung von Informationen. Es gibt im Moment zu viele einzelne Informationen, die bislang nicht immer verknüpft wurden. Deshalb wollen wir die guten Erfahrungen, die wir bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus gemacht haben, nun in enger Zusammenarbeit mit den Ländern auf die Bekämpfung des gewaltgeneigten Rechtsextremismus übertragen. Das „Gemeinsame Abwehrzentrum“ wird dabei helfen, genauso wie die Stärkung der Zentralstellenkompetenz des Bundesamtes für Verfassungsschutz und die Zusammenführung aller relevanten Informationen durch die Errichtung einer Verbunddatei.

Brauchen die Behörden eine bessere Schulung im rechtsextremistischen Bereich, vielleicht Sonderermittler?

Selbstverständlich gibt es im Bereich der Polizei geschulte Sonderermittler. Ich glaube nicht, dass es da ein Defizit gibt.

Hans-Peter Friedrich
Hans-Peter Friedrich
Foto: dpa

Wie viele Landesverfassungsschutzämter braucht Deutschland?

Die Schlagkraft der Verfassungsschutzbehörden bemisst sich nicht an ihrer Anzahl, sondern an der Intensität und Qualität ihres Zusammenwirkens. An dieser Stelle müssen und werden wir ansetzen. Föderalismus darf uns nicht beim Kampf gegen Extremismus blockieren.

Gibt es konkrete Hinweise, dass der NSU für weitere ungeklärte Straftaten infrage kommt?

Um sicherzugehen, dass alle Taten, die auf das Konto der Zwickauer Zelle gehen, zugeordnet werden, habe ich angeordnet, dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz alle ungeklärten Altfälle seit 1998 überprüfen. Wir schauen uns jetzt sehr genau Morde, Sprengstoffanschläge und Banküberfälle an, die ebenfalls für eine Täterschaft dieser Gruppierung in Betracht kommen könnten.

Muss es personelle Folgen aus dem „kläglichen Scheitern“ geben?

Es geht jetzt um Verbesserungen in der Sache und nicht um persönliche Schuldzuweisungen. Wo Menschen agieren, wird es immer auch Fehler geben. Jetzt aber geht es um die Beseitigung struktureller Defizite. Daher werden wir die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessern. Dabei geht es vorrangig darum, die Erkenntnislagen von Polizei und Verfassungsschutzbehörden insbesondere zu gewaltbereiten Rechtsextremisten durch einen reibungslosen und zeitnahen Informationsaustausch zu verbessern.

Sollte das Strafmaß für rechtsextremistische Vorbereitungstaten den Terrorismusparagrafen angepasst werden?

Auch dies werden wir prüfen, wenn wir die Fälle aufgeklärt haben. Entscheidender als das Strafmaß ist jedoch, solche Vorbereitungshandlungen rechtzeitig zu erkennen, um die Haupttat noch verhindern zu können.

Von Rechtsterror war vonseiten der Sicherheitsbehörden nie die Rede.

Wir müssen sagen, dass wir uns eine terroristische Dimension in der Form, wie sie sich nach den laufenden Ermittlungen darstellt, nicht haben vorstellen können. Die Sicherheitsbehörden haben Tötungen durch rechtsextremistische Einzeltäter oder Gruppen vor allem aus fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Motiven immer mit in Betracht gezogen. Allerdings hatten sie bis zu den Vorfällen von Eisenach und Zwickau Anfang November dieses Jahres keine Erkenntnisse über rechtsterroristische Strukturen. Diese sind erst jetzt sichtbar geworden. In Zukunft muss es darum gehen, die Sicherheitsbehörden so aufzustellen, dass sie solche Strukturen früher erkennen.

Das Gespräch führten Michael Bröcker und Gregor Mayntz