Berlin

Forschung: Warum 2013 im Zeichen der Demografie stehen wird

Ob Physik, Chemie, Geisteswissenschaft oder Gesundheitsforschung: Das Wissenschaftsjahr soll den Dialog zwischen den Forschern und der breiten Öffentlichkeit fördern. Im Zentrum des Wissenschaftsjahres 2013 steht der demografische Wandel.

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Die demografische Entwicklung wird die Industriegesellschaften in den kommenden Jahren quasi auf den Kopf stellen. Die Menschen werden älter, weil sie gesundheitsbewusster leben und die Medizin große Fortschritte macht. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Einwohner, weil mehr Menschen sterben als geboren werden. So viele Effekte dieser Entwicklung sind noch nicht erforscht, sodass das Bundesbildungsministerium das Wissenschaftsjahr 2013 ganz der „demografischen Chance“ widmet.

100 Jahre alt werden

Die Entwicklung zur älter werdenden Gesellschaft begann nach Worten von Rembrandt Scholz vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock mit der Industrialisierung. „Die Lebenserwartung eines 1870 geborenen Deutschen betrug 38 Jahre.“ Ein heute geborenes Kind kann mit mehr als 90 Lebensjahren rechnen. Oder: Die Hälfte der heute Geborenen kann 100 Jahre alt werden.

Einen Haken hat die Sache aber: „Die Jahre 80 plus werden mit Sicherheit nicht die schönsten sein.“ Die ersten Zugewinne bei der Lebenserwartung waren laut Scholz auf die Senkung der Säuglingsund Kindersterblichkeit zurückzuführen. „In dieser Altersgruppe gibt es heute keine Potenziale mehr.“ Sie liegen nun in besseren Arbeits- und Lebensverhältnissen sowie der lebenslang besseren Ernährung. Dieser Trend gilt für die Leute, die sich einigermaßen vernünftig verhalten. „Wer viel raucht, sich schlecht ernährt oder hohem Stress ausgesetzt ist, kann nicht im allgemeinen Maß an dieser Entwicklung teilnehmen.“ Solche Effekte seien beispielsweise in Russland zu beobachten, wo die Krisen der vergangenen Jahrzehnte zu einer Umkehr des Trends geführt haben.

Der Sozialstaat hat sich nach Einschätzung von Axel Börsch-Supan, Direktor am Münchener Max- Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, etwa bei der Rentenversicherung auf die Entwicklung eingestellt. „Ein wichtiger Schritt war die Rente mit 67.“ Ein niedrigeres Einstiegsalter würde die Beitragsund Steuerlast für die folgenden Generationen enorm steigern. Schwierig werde es nach Ansicht von Börsch-Supan für die Krankenversicherung, denn der medizinische Fortschritt ist schwer zu finanzieren. Wenn man Ältere fragt, was ihnen das Wichtigste ist, dann sagen sie: Gesundheit. „Dann muss sich der Staat halt darauf einstellen“, sagt der Direktor des Max-Planck-Instituts.

Großen Nachholbedarf sieht er noch bei der Pflegeversicherung. Denn sie sei letztlich nur eine Beihilfe im Pflegefall. Dabei werde die Zahl der Pflegefälle in den kommenden Jahren enorm steigen. Völlig unvorbereitet sieht der Volkswirtschaftler die meisten Menschen. „Es ist für viele unvorstellbar, dass sie so viel länger leben werden als die Eltern oder Großeltern. Jeder richtet sich beim Denken an den Tod an der Vorgängergeneration aus“, sagt Börsch-Supan. Wer weitgehend unvorbereitet ins Rentenalter einsteigt, läuft Gefahr, wertvolle Zeit zu vergeuden.

Altern ist nichts für Feiglinge

Der Chef des Kuratoriums Gesundheitswirtschaft in Mecklenburg- Vorpommern, Horst Klinkmann, nimmt den Trend zum aktiven Leben der Generation 60 plus zum Anlass, eine flexible Altersgrenze zu fordern. „Viele Menschen wehren sich dagegen, in Rente gehen zu müssen.“ Die Gesellschaft müsse also sinnvolle Aufgaben für die jungen Alten zur Verfügung stellen, sagt der 77 Jahre alte Mediziner, der mit einer Reihe von Ämtern das lebende Beispiel für ein agiles Altern darstellt. Sein Lebensmotto lautet: „Altern ist nichts für Feiglinge