Flughafen-Rundgang: Vorhang auf für Berliner ProblemBER

Schnee liegt vor dem Terminal des neuen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) in Schönefeld (Brandenburg).
Schnee liegt vor dem Terminal des neuen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) in Schönefeld (Brandenburg). Foto: DPA

Für 10 Euro gibt es eine Führung über die Baustelle, über die ganz Deutschland spricht. Der jüngsten Pannen ungeachtet, kutschiert die Berliner Flughafengesellschaft weiter Touristen über das Gelände des neuen Großflughafens Willy Brandt, dessen Eröffnung gerade erst zum vierten Mal verschoben wurde. Einen neuen Termin gibt es bislang nicht.

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Dabei wirkt BER, wie das internationale Kürzel des Flughafens lauten soll, als könnten hier jeden Moment die ersten Flieger abheben und landen. Architektonisch begeistert der Flughafen schon lange, wenn wohl auch nur von außen betrachtet. Etwa 25 Besucher blicken staunend aus dem Bus auf den Glaspalast des zentralen Terminals, das wie eine mehrfache Vergrößerung der Neuen Nationalgalerie in der Innenstadt aussieht, während die Führerin der Berliner Flughafengesellschaft die gigantisch anmutenden Zahlen herunterbetet. 10 000 Tonnen wiegt allein das Dach, 13 000 Glasscheiben wurden verbaut, 4000 Meter lang ist die neue fix und fertige Startbahn nebenan, eine zweite wurde auf 3600 Meter verlängert. 27 Millionen Passagiere sollen hier einmal jährlich abgefertigt werden, perspektivisch auch mehr. All das klingt nach einem nicht mehr zu stoppenden Erfolgskurs.

Nur die Stille verrät, dass es anders ist. Weit und breit ist an diesem Sonntag auf dem Gelände kaum ein Arbeiter zu sehen, dafür aber ein recht ansehnliches Kontingent an Sicherheitsleuten, die längst fertiggestellte Hotels, Parkhäuser und Bürogebäude bewachen. Die schöne Fassade, sie ist gewaltig ins Bröckeln geraten in den vergangenen Monaten.

Bei der Führung spielen Pannen keine Rolle. Man verweist auf die heutige Aufsichtsratssitzung, man wartet auf Entscheidungen. Dabei geht es auf der Baustelle offenbar seit Mai vergangenen Jahres schon nicht mehr voran. Experten wie der Projektmanager und Londoner Olympia-Planer Klaus Grewe schätzten jüngst, dass es ein Jahr dauern könnte, sich jetzt auf der Baustelle überhaupt einen Überblick zu verschaffen. Antworten darauf, wie es zu der Pannenserie kommen konnte, bekommt man auf der Baustelle nicht.

BER, seit dem Mauerfall 1989 erstmals im Gespräch, stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Ursprünglich sollte der Flughafen ganz in privater Regie gebaut und danach auch betrieben werden. Doch 2003 platzten solche Pläne. Der Abbruch des Privatisierungsverfahrens soll allein mehr als 40 Millionen Euro gekostet haben. Die Entscheidung für den Standort Schönefeld als Großflughafen löste außerdem eine Klagewelle seitens der Anwohner aus. Im Herbst 2006 erfolgt endlich der Spatenstich fürs Großprojekt.

Erste größere Probleme in der Bauphase deuten sich dann im Juni 2010 an: Eine Planungsfirma geht pleite, und Sicherheitsbestimmungen werden verschärft – dies zusammen macht die erste Verschiebung des Eröffnungstermins von November 2011 auf den 3. Juni 2012 erforderlich. Der Bau ist aber schon damals weit im Rückstand. Im Oktober 2011, ein knappes halbes Jahr also vor diesem neuen Eröffnungstermin, erklärt der damalige Sprecher der Flughafengesellschaft bei einer Führung vor Journalisten, dass das Konzept der Planer „modernsten Anforderungen“ entspricht. Der Flughafen sieht zu diesem Zeitpunkt von außen so gut wie fertig aus. Die Check-in-Schalter sind da, hier und da sogar bereits mit dem Schriftzug der Fluggesellschaften versehen. In wenigen Wochen sollen hier Statisten Flughafenbetrieb simulieren und für die baldige Eröffnung proben. Der Erfolgsdruck für BER, sagt der Sprecher damals, kurz bevor die große Eröffnung platzt, sei gigantisch.

Am 8. Mai 2012, drei Wochen vor der großen Eröffnungsfeier, folgt die zweite Verschiebung – aus Brandschutzgründen, auf zunächst unbestimmte Zeit. In der Folge muss Planungschef Manfred Körtgen den Hut nehmen, die Arbeit mit der Planungsgemeinschaft PGBBI wird aufgekündigt. Dazu zählte auch das renommierte Büro des Flughafen-Architekten Meinhard von Gerkan. Am 3. September 2012 wird der Eröffnungstermin in einer Aufsichtsratssitzung erneut verschoben, auf Oktober 2013, den Termin also, der nun am vergangenen Montag erneut zurückgenommen werden musste. Jetzt wird allmählich das Ausmaß der Mängel bekannt.

Selbst der neue Technikchef des Projekts, Horst Amann, nennt die Probleme auf der Baustelle heute „gravierend, fast grauenhaft“. Die Liste ist inzwischen lang: Hauptproblem ist nach wie vor die Brandschutzanlage, die nach den Vorstellungen des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner (GMP) einmal beispielhaft für deutsche Technik hatte werden sollen. Ein möglicher Exportschlager, so hoffte man. Um das flache Dach nicht mit Kaminrohren zu verunstalten, sollte der Rauch unterirdisch abgeleitet werden – was in der Praxis nun aber offenbar nicht funktioniert und auch nicht sicher genug ist. Als einer der Grundfehler der Planung wird inzwischen angesehen, sowohl die Ausführung als auch die Bauüberwachung in eine Hand gegeben zu haben. So fragte niemand beim Brandschutz nach. Wer meldet schon Zweifel an der eigenen Planung an?

In dieser Woche nun meldete sich Architekt Meinhard von Gerkan mit Anschuldigungen gegen die Flughafengesellschaft zurück. Deren Manager hätten mit ständigen Umbauwünschen die Bauplanung „regelrecht zerschossen“. Offenbar muss nun viel wieder aufgerissen werden. Kabelschächte sind zu klein, Rolltreppen zu kurz, und durch das verglaste Terminal dringt schon Feuchtigkeit ein.

Von der Aussichtsplattform für Besucher erkennt man von alldem nichts. Am Nordpier sieht man von dort mehrere große Maschinen, wie abflugbereit. Glaubt da noch jemand an die baldige Eröffnung? Die Besucher-Führerin stellt eilig klar, dass die Passagiermaschinen dort vorübergehend parken. Abheben wird hier so schnell niemand.

Von unserer Redakteurin Rena Lehmann