Ferngesteuerte Meinungsmacher – die digitalen Armeen im Netz

Setzt Social Bots bereits sehr gezielt ein: US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump.  Foto: dpa
Setzt Social Bots bereits sehr gezielt ein: US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Foto: dpa

Früher erkauften sich Unternehmen Likes und Follower – jetzt werden unechte Profile im Wahlkampf eingesetzt: Social Bots heißen die Werkzeuge, mit denen man täuschend echte Botschaften massenhaft in sozialen Medien verbreiten kann. „Bots werden hauptsächlich benutzt, um Trends zu verstärken“, sagt der Politik- und Computerwissenschaftler Simon Hegelich von der Hochschule für Politik München.

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Ziel sei es, Tweets oder Facebookseiten von Kandidaten noch populärer zu machen. Man müsse aber vorsichtig sein, dies als Manipulation zu bezeichnen.

Eine Täuschung der Öffentlichkeit ist es aber allemal, meint Kommunikationswissenschaftler André Haller von der Universität Bamberg. Besonders problematisch seien Bot-Armeen, wenn sie durch sehr viele automatisierte Nachrichten zu einem Thema einen falschen Trend vorgeben. „Der Nutzer kann dann den Eindruck erhalten, dass ein bestimmtes Thema von herausragender Bedeutung ist und politisch wichtiger ist als andere Themen oder Aspekte eines Themas.“

Strategisch nützlich seien Bots bei moralisch oder emotional aufgeladenen Ereignissen. Zum Beispiel bei der ersten TV-Debatte im US-Wahlkampf. Laut einer Studie der Oxford University hatten Bots hier einen beträchtlichen Teil der Nachrichten zur Unterstützung der Kandidaten auf Twitter abgesetzt. Bei Trump war jeder dritte Unterstützer-Tweet gefaked, jeder vierte bei Clinton. Hinzu komme, dass ein Drittel der Follower beider Kandidaten keine echten Menschen, sondern Roboter sind, sagt Haller.

Dürfen diese Statement-Schleudern in sozialen Netzwerken zur Stimmungsmache überhaupt eingesetzt werden? Strafrechtlich gibt es gegen sie kein Mittel. Ihre Verwendung ist vielmehr eine ethische Frage. In Deutschland seien Parteien sehr vorsichtig, nicht den Eindruck der Manipulation zu erwecken, sagt Hegelich. Überhaupt sei Social Media als Wahlkampfinstrument in der deutschen Politik noch Lichtjahre von den USA entfernt. Haller sieht dies in der politischen Tradition begründet. Deutschland zeichnet sich zum einen im Vergleich zu anderen politischen Systemen durch einen eher moderaten Diskussionsstil aus. Zum anderen führe das Mehrheitswahlrecht in den USA zu einer „stärkeren Polarisierung und Personalisierung“ von Politik. Meinungen müssen dort pointierter und direkter formuliert werden. Bots können hierbei helfen, meint Haller.

Ob eine offizielle politische Kraft hinter ferngesteuerten Meinungsmachern steckt, ist kaum überprüfbar: Im Netz treiben Bots ihr Unwesen wie Soldaten ohne Hoheitsabzeichen. Auch beim Krim-Konflikt sind Botnetze am Werk, wie Hegelich bei einer Untersuchung herausfand. In der Ukraine senden 15 000 Accounts täglich 60 000 Twittermeldungen als Propaganda für die Ultranationalisten.

Social Bots: Wie Meinungsroboter funktionieren, was sie kosten

Mit wenigen Handgriffen sind Meinungsroboter zum Leben erweckt: Zunächst benötigt man Social-Media-Accounts – die Körper der Bots. Zweitens braucht man einen Zugriff auf eine Programmschnittstelle (API) zum sozialen Netzwerk – die Synapsen des Systems. Drittens ein Programm, ein Hirn, das die Bots steuert.

Im Verhältnis zu Aufwand und Kosten sind Social Bots als digitale Propagandamaschinen nach Meinung von Experten hocheffektiv. 1000 gefälschte Profile sind im Internet schon für 50 Dollar (einfache Twitter-Accounts) bis 150 Dollar (ältere Facebook-Profile) zu haben. Dies erklärt Simon Hegelich von der Hochschule für Politik München in der von der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlichten Studie „Invasion der Meinungsroboter“. Die Schnittstellen stellen die sozialen Netzwerke öffentlich und kostenlos zur Verfügung, um die Entwicklung von Apps für die Plattform voranzutreiben.

Auch fertige Systeme lassen sich im Netz kaufen: Eine ferngesteuerte 10 000 Bot starke Twitter-Armee kostet rund 500 Dollar. „Eine richtige Kampagne in diesem Bereich ist aber sehr kostspielig, und es braucht professionelle Datenanalysten, die wir im politischen Sektor bislang nicht haben. Insofern kann es auch gut sein, dass wir noch ein paar Jahre Zeit haben, bis in Deutschland der Wahlkampf zum Cyberkrieg wird“, sagt der Experte Hegelich.