Fastenzeit: Für Muslime beginnt der Ramadan

In der Nacht begehen Muslime das Fastenbrechen meist gemeinsam, wie hier in einer Moschee in Saudi Arabien. Wenn die Fastenzeit vorbei ist, feiern die Muslime das Fastenbrechen drei Tage lang und tischen allerlei Leckereien auf.
In der Nacht begehen Muslime das Fastenbrechen meist gemeinsam, wie hier in einer Moschee in Saudi Arabien. Wenn die Fastenzeit vorbei ist, feiern die Muslime das Fastenbrechen drei Tage lang und tischen allerlei Leckereien auf. Foto: DPA

In der lichtdurchfluteten Moschee singt ein älterer Mann sein Gebet. Demütig legt er die Handflächen an seine Ohren. Er singt „Allahu Akbar“ – Gott ist groß. Seine tiefe Stimme verleiht den hohen Melodien eine Sanftheit, die den riesigen Gebetsraum in der Tahir-Moschee im Koblenzer Stadtteil Lützel mit Wärme füllen.

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Von Stefan Hantzschmann

In einer braunen Jacke – zugeknöpft bis zu dem schmalen Kragen – betritt nun auch der Imam den Gebetsraum. Kurze Zeit verweilt er stehend, den Blick auf den roten Teppich unter seinen Füßen gerichtet, verneigt sich dann und richtet sich wieder auf. Schließlich kniet er nieder, legt seine Handflächen flach auf den Boden und berührt mit seiner Stirn das Kachelmuster im Teppich.

Nach mehreren Wiederholungen dieser Prozedur und weiteren Gesängen spricht der Imam auf Arabisch ein Gebet vor den Gläubigen. Das Ritual dauert etwa zehn Minuten – für Syed Hassan Tahir Bukhari, den leitenden Imam der Koblenzer Ahmadiya Muslim Jamaat (Gemeinschaft), gehört es zum Alltag.

Viel Arbeit, wenig Schlaf

Doch von morgen an ändert sich der Rhythmus des muslimischen Predigers gewaltig. Für ihn wie für die rund 150 000 Muslime in Rheinland- Pfalz beginnt der wichtigste Monat im islamischen Kalender: der Ramadan. 30 Tage lang dürfen sie von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts essen und nichts trinken. Auch Genussmittel wie Tabak sind tabu.

„Neben dem Fasten gebietet diese Zeit auch intensives Beten und regelmäßige Moscheebesuche“, sagt Bukhari. Als Imam ist er Vorbeter und Vorbild. Der Ramadan ist für den Prediger eine arbeitsreiche und schlafarme Zeit. „Ich werde jeden Tag um 2.15 Uhr aufstehen und das freiwillige Tahajjud- Gebet verrichten. Danach werde ich etwas essen und 90 Minuten vor Sonnenaufgang das Fajr (Gebet in der Morgendämmerung) verrichten. Anschließend rezitiere ich den Heiligen Koran“, erklärt der Imam den Beginn eines typischen Ramadantages.

Er spricht langsam und unaufgeregt in Urdu, der Nationalsprache Pakistans und legt seine dunklen, gepflegten Hände ab. „Wenn Gott es so will, werde ich mich dann bis 9 Uhr ausruhen“, sagt er. Während des Ramadans sollten Muslime auf jeden Fall die fünf Pflichtgebete am Tag absolvieren. Hinzu kommen freiwillige Gebete am Morgen und in der Nacht.

Neben seinen Pflichtaufgaben, die der Imam das ganze Jahr über erledigen muss, rezitiert er während des Ramadan den Koran öfter, betet intensiver und betreut die rund 260 gläubigen Muslime, die in Koblenz regelmäßig in die Tahir-Moschee kommen. Die Moschee ist in dieser Zeit deutlich besser besucht – so wie auch christliche Kirchen zur Weihnachts- und Osterzeit mehr Besucher zählen als in der restlichen Zeit des Jahres.

„Das Fasten ist für jeden Muslim Pflicht, der erwachsen, gesund und nicht auf Reisen ist“, erklärt der Imam. Doch auch schwer arbeitende Menschen sowie schwangere Frauen müssen im Ramadan nicht fasten. Sogar für Muslime, die sich nicht an die Ramadanregeln halten, gibt es Lösungen. „Wer nicht fastet, den erwartet keine weltliche Strafe“, sagt Bukhari. Im Islam komme es darauf an, welche Absicht vom Herzen ausgeht und damit auch, ob ein nicht fastender Moslem deshalb Scham vor Allah empfindet.

Im Islam dient die Fastenzeit vorrangig einer tiefen Spiritualität: Muslime sollen sich intensiv mit ihrem Gott und ihrem Glauben auseinandersetzen. Doch der Ramadan hat auch eine soziale Komponente. Schon der Prophet Mohammed soll während des Ramadan den Armen und Bedürftigen noch mehr gespendet haben als sonst.

Ramadan heißt auch Teilen

Nach Sonnenuntergang brechen Muslime das Fasten mit Datteln und Wasser. Danach gibt es auch andere Speisen. In Koblenz treffen sich die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde zu diesem Anlass in der Moschee. Sowohl der Ramadan als auch das Fastenbrechen wird von den vielen islamischen Strömungen teils unterschiedlich begangen.

Einige Moscheen laden zum Fastenbrechen die ganze Stadt ein. Ramadan heißt auch Teilen. „Im Sommer sind diese Treffen weniger ausladend als im Winter, wenn die Nächte länger sind“, erklärt der Student Waheed Kahn, der regelmäßig die Tahir-Moschee in Lützel besucht. Die Gemeinschaft der Ahmadiyya ist eine islamische Reformbewegung, die sich von radikalen islamischen Strömungen distanziert.

In Hessen erhielt die Ahmadiyya- Gemeinschaft erst vor Kurzem den gleichen Rechtsstatus wie die christlichen Kirchen. Einen gesetzlich anerkannten Feiertag konnten Muslime in Deutschland noch nicht erreichen. Zuletzt hatte dies im Frühjahr der Zentralrat der Muslime gefordert und schlug einen Ramadan-Feiertag vor, der nicht für alle arbeitsfrei sein müsse, aber zumindest im Kalender stehen sollte.

Jedes Jahr verschiebt sich die Fastenzeit, die sich nach der Sichtung des Mondes richtet, um zehn Tage. In diesem Jahr fällt der Ramadan in den Hochsommer – für gläubige Muslime ist das eine Herausforderung. Denn die Nächte im Sommer sind kurz: Bis zu 16 Stunden lang bleibt der Magen leer. Für die Gesundheit ist das aus Sicht von Ramadan Douwa, Oberarzt der Inneren Medizin II am Gemeinschaftsklinikum Koblenz Mayen, kein Problem, solange sich der Fastende bester Gesundheit erfreut.

„Fasten sollten nur völlig gesunde, erwachsene Menschen. Kranke und ältere Menschen müssen hingegen normal essen und trinken. Schwangere oder stillende Frauen sollten vorher einen Arzt fragen“, erklärt der Mediziner. Muslime, die zum ersten Mal den Ramadan durchziehen wollen, sollten unbedingt vor dem Fajr-Gebet am Morgen etwas essen und trinken, damit sie mit der Energie über den Tag kommen.

Schlemmen nach dem Verzicht

Ein typischer Ramadantag wird für Imam Bukhari im Sommer kurz nach 23 Uhr enden, nach dem Tarawi Gebet (Arabisch für Erholung). Erst dann wird er sich schlafen legen und nur drei Stunden später wieder aufstehen. Die letzten zehn Tage des Ramadans sind noch etwas spezieller. In dieser Zeit können sich Muslime auch komplett in die Moschee zurückziehen, sich von der Außenwelt abschotten, ihre Gebete und das Lesen des Koran noch einmal intensivieren.

Der erste Tag nach dem Fasten ist gleichzeitig der erste Tag des Schlemmens. Vom 8. bis 10. August feiern Muslime in diesem Jahr Id-ul Fitr, das Fastenbrechen. Drei Tage lang kommen dabei so ziemlich alle Leckereien auf den Tisch, die die islamische Welt zu bieten hat. In der Türkei heißt diese Feier auch Zuckerfest. Vor allem die Kinder sind in diesen drei Tagen in heller Aufregung.