Eva Quadbeck zum Auftritt der Kanzlerin vor dem Bundestag: Merkels neuer Ton

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein neuer Tonfall in der Flüchtlingspolitik zu hören gewesen. Sie ging nicht noch einmal darauf ein, ob sie vergangenes Jahr mit der Politik der offenen Grenzen die richtige Entscheidung getroffen hat. Vielmehr betonte sie, was sie alles unternommen hat, um die Flüchtlingsbewegung in den Griff zu bekommen. Mit dieser rhetorischen Veränderung leitet Merkel keineswegs eine Kehrtwende ihrer Politik ein.

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Sie geht aber ein Stück auf ihre Kritiker in der Union zu, die auch in dem „Wir schaffen das“-Mantra eine Ursache für den Ansehensverlust der Kanzlerin und der Union insgesamt sehen. Denn während Merkel mit ihren Redewendungen im September 2015 stehen geblieben war, hatte sie ihre Politik längst auf die systematische Begrenzung der Flüchtlingszahlen ausgerichtet.

Seit dem Frühling sind die Flüchtlingszahlen drastisch gesunken. Die AfD, die vor allem durch ihre Opposition zu Merkels Flüchtlingspolitik die Wähler anlockt, konnte trotz der Beruhigung der Flüchtlingskrise weiter in den Umfragen steigen. Ob der neue Ton ausreicht, die Geschlossenheit in der Union wiederherzustellen, ist zu bezweifeln. Sie hat nur eine Chance, die an die AfD verloren gegangenen Wähler zurückzugewinnen, wenn sie als das auftritt, was sie auf dem Papier ist: eine Union. Dafür werden sich beide bewegen müssen: Merkel und Seehofer.

Der Herbst wird für Merkel und Seehofer zu den Wochen der Wahrheit. Bis zum CDU-Parteitag im Dezember müssen die Parteichefs eine gemeinsame Wahlkampfstrategie haben. Denn es ist undenkbar, dass sich Merkel erneut zur Vorsitzenden wählen lässt, ohne ihrer Basis die Zusage zu geben, dass sie als Kanzlerkandidatin antritt.

E-Mail: eva.quadbeck@rhein-zeitung.net