EU-Staaten verpflichten sich zum Sparen

Angela Merkel
Freude über den Fiskalpakt lässt Kanzlerin Merkel nach dem EU-Gipfel nur kurz aufkommen. Foto: DPA

Brüssel. Am Freitagmorgen um 9.26 Uhr war das historische Werk beim Brüsseler EU-Gipfel vollbracht: Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschrieb mit andächtiger Miene den von ihr durchgepaukten Fiskalpakt.

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Brüssel – Am Freitagmorgen um 9.26 Uhr war das historische Werk beim Brüsseler EU-Gipfel vollbracht: Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschrieb mit andächtiger Miene den von ihr durchgepaukten Fiskalpakt.

Der Vertrag soll notorische Haushaltssünder in der Euro-Zone per Gerichtsurteil und neuen Geldstrafen zu härterem Sparen zwingen. „Ich glaube, es ist ein starkes Signal, dass wir die Lehren aus der Krise ziehen“, sagte die Kanzlerin sichtlich zufrieden. Für sie ist der Pakt „ein Meilenstein in der Geschichte der EU“. Denn er bereitet den Weg für jene politische Union, die zur Stabilisierung der Währungsgemeinschaft bisher fehlte.

In dem Vertrag verpflichten sich die meisten EU-Staaten zur Einführung von Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild. Werden sie nicht eingehalten, drohen Geldbußen vom höchsten EU-Gericht von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Geld fließt in den Euro-Rettungsfonds ESM.

Festes Prozedere für Klagen

Da sich die Staaten gegenseitig vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zerren müssen, hatten Kritiker befürchtet, dass die Klagemöglichkeit aus politischer Rücksichtnahme der Regierungen untereinander ins Leere läuft. Das soll nun ein festes Prozedere, das das Land der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft in die Klagepflicht nimmt, verhindern.

Weiterer Kernpunkt: Die Haushalte der EU-Staaten müssen nahezu ausgeglichen sein. Das strukturelle – also von der Konjunkturentwicklung unabhängige – Defizit darf künftig die Grenze von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht mehr überschreiten. In der Vergangenheit war das Doppelte erlaubt. Schuldensünder, die das 3-Prozent-Defizitziel aus dem Stabilitätspakt reißen, unterwerfen sich zudem automatischen Sanktionen. Bisher konnten Strafen politisch leicht verhindert werden.

Hilfen aus dem neuen dauerhaften Rettungsfonds ESM bekommen nur Staaten, die den neuen Sparpakt umsetzen. Damit wird auf deutschen Wunsch eine enge Verbindung zwischen Haushaltsdisziplin und künftigen Finanzhilfen – zwischen Solidität und Solidarität – hergestellt. Für Angela Merkel ist die EU mit dem Fiskalpakt einen wesentlichen Schritt zur Überwindung der Finanzkrise vorangekommen, aber noch nicht über den Berg. „Wir sind nach wie vor in einer fragilen Situation“, mahnte sie in Brüssel. Deshalb pochen die EU-Kommission, der IWF, die USA und zahlreiche EU-Partner auf höhere Brandmauern für die Euro-Zone.

Diskutiert wird, die Restmittel aus dem laufenden Rettungsschirm EFSF auf den neuen Dauerfonds ESM, der ein Ausleihvolumen von 500 Milliarden haben soll, draufzuschlagen statt anzurechnen: So entstünde ein Schutzwall von 750 Milliarden Euro. Das Haftungsrisiko für Deutschland stiege dadurch von derzeit 211 Milliarden auf rund 280 Milliarden Euro. Merkel lehnt dies ab – nicht grundsätzlich, aber zum jetzigen Zeitpunkt. Allerdings kündigte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy nun einen deutsch-französischen Vorschlag zur Ausstattung der Rettungsfonds bis Monatsende an. Er sprach von drei Optionen: Der EFSF läuft aus, und der ESM wird alleiniges Hilfsinstrument, EFSF und ESM agieren zeitweise nebeneinander, oder die Restmittel des EFSF von rund 250 Milliarden Euro werden auf den ESM übertragen.

Beschlossen ist: Der ständige Krisenfonds ESM, der ab Sommer an den Start geht, soll schneller aufgebaut werden als bisher geplant. Er verfügt über Garantien und einen Baranteil von 80 Milliarden Euro. Letzterer sollte in fünf Tranchen eingezahlt werden – nun wollen die EU-Staaten schon 2012 zwei Raten einzahlen: Das entspricht 32 Milliarden Euro. Deutschland muss davon 8,68 Milliarden Euro stemmen, die bisher nicht im Haushalt eingeplant sind.

Warten auf den Schuldenschnitt

Der Bremskurs der Kanzlerin in Sachen größere Rettungsfonds hängt nicht nur mit den innenpolitisch unbeliebten höheren Haftungsrisiken zusammen. Sie will abwarten, wie der Schuldenschnitt für Griechenland verläuft. Die Euro-Zone hat ein zweites Rettungspaket für Hellas über 130 Milliarden Euro öffentlicher Kredithilfen sowie einen Forderungsverzicht privater Gläubiger von 107 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Der damit verbundene Anleihe-Umtausch ist im Gang. Zum Stichtag am kommenden Donnerstag wird sich zeigen, ob genug Gläubiger das Angebot annehmen. Sonst wäre die Rettungsaktion gescheitert. Anja Ingenrieth