Rheinland-Pfalz

Erste Hafttage gelten als besonderes Risiko – In sind Rheinland-Pfalz Kontrollen per Kamera erlaubt

Bei Gefahr muss die Zellentür ständig geöffnet werden.  Foto: dpa
Bei Gefahr muss die Zellentür ständig geöffnet werden. Foto: dpa

Zu welchen Fehleinschätzungen es hinter den Mauern des Leipziger Gefängnisses gekommen ist, lässt sich nach ersten Erklärungsversuchen noch nicht bewerten.

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Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

Aber Fakt ist: Besondere Aufmerksamkeit war in jedem Fall angesagt. Denn: Generell – und nicht nur bei Terrorverdächtigen – gelten die ersten Tage in der Untersuchungshaft als Hochrisikozeit für Suizidgefahr. Dies belegen bundesweite Studien, bestätigen aber auch die Erfahrungen in rheinland-pfälzischen Haftanstalten. Wie der Sprecher des Mainzer Justizministeriums, Christoph Burmeister, sagt, sind dafür alle Beschäftigten hoch sensibilisiert – vor allem, aber nicht nur bei möglichst zeitnahen Erstgesprächen auch mit dem medizinischen oder psychologischen Dienst.

Spezielle Vorgaben des Ministeriums für den Umgang mit gefährdeten Häftlingen gibt es nicht. Jeder Einzelfall muss individuell bewertet werden, wie auch der Leiter der Haftanstalt Rohrbach im rheinhessischen Wöllstein, Norbert Henke, bestätigt. Anders als in Sachsen ist es allerdings in Rheinland-Pfalz auch erlaubt, bei akuter Suizidgefahr einen Häftling per Videokamera zu überwachen – je nach Gefahr in abgestimmten Intervallen, wie bei einer regelmäßigen Kontrolle durch ein Sichtfenster oder dem Eintritt in die Zellen.

Nur, Leitender Regierungsdirektor Henke sagt auch, dass eine hundertprozentige Sicherheit bei aller Prävention nie möglich ist. Denn – wie in Leipzig leider festzustellen: 15 unbeobachtete Minuten können bereits tödlich enden. Diese Zeit kann genügen, wenn jemand zu einem spitzen Gegenstand greift oder ein Hemd zerreißt. Die ersten Hinweise auf eine potenzielle Gefahr samt Anordnungen kommen häufig vom Haftrichter, der sich einen ersten Eindruck von einem Verdächtigen macht. Aber das Mainzer Ministerium betont auch, dass Hinweise von Angehörigen, Rechtsanwälten oder Polizeibeamten „stets sehr ernst genommen werden“, wenngleich auch geprüft werden muss, wie sie zu bewerten sind. „Es kommt auch vor, dass ein Häftling nur Druck machen will“, sagt ein Praktiker.

Aber bei Sonderkontrollen müssen die Gefängnisse immer den Spagat zwischen Sicherheit und Menschenwürde schaffen, wie der Fall des früheren Topmanagers Thomas Middelhoff zeigt. Der hatte sich in der Essener Haftanstalt über seinen Schlafentzug beschwert, weil er bei den Kontrollen nachts alle 15 Minuten geweckt worden sei. Die Frage der Menschenwürde ist für Anstaltsleiter Henke auch in den Fällen genau zu prüfen, ob und wie lange jemand in einem besonders gesicherten und gefliesten Haftraum untergebracht, ob er zum Schutz gefesselt oder fixiert werden muss.

Im rheinland-pfälzischen Ministerium betont Burmeister, dass die frühe Erkennung einer Suizidgefahr bei der Aus- und Fortbildung des Personals breiten Raum einnimmt. Dazu liefern auch die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt des Kriminologischen Dienstes Niedersachsen einen wichtigen Baustein. Rheinland-Pfalz beteiligt sich auch an diesem Forschungsprojekt, ist auch in der Bundesarbeitsgruppe „Strafvollzug“ des Nationalen Suizidpräventionsprogramms vertreten. Aber trotz aller Vorsorge kam es auch in Rheinland-Pfalz, wenn auch nicht in einem so spektakulären Fall wie in Sachsen, immer wieder zu Selbstmorden. Seit 2012 sind acht Suizide aktenkundig. Nicht dokumentiert ist, wie viele noch verhindert werden konnten.

Nach den Worten von Henke ist ein ständiger Kontakt wichtig, um zu beobachten, wie ein Häftling auf andere Gefangene oder Bedienstete reagiert. In kontinuierlichen Gesprächen sei zu beobachten, ob sich ein Verhalten ändert. Dafür braucht man aber auch Zeit und Personal, zunehmend womöglich noch mehr Dolmetscher.