Berlin

Elternhaus entscheidet über Schulerfolg

Bildung
Der Finger hilft: Wie gut ein Schüler lesen kann, entscheidet immerhin über seinen schulischen Erfolg. Leider auch immer noch die soziale Herkunft. Foto: dpa

Arm und Reich, Nord und Süd: Noch immer sind die Voraussetzungen für Kinder in Deutschland stark unterschiedlich – Jungen hinken hinterher Das Kernproblem der deutschen Bildungspolitik ist keinesfalls behoben. Noch immer entscheidet der Geldbeutel der Eltern darüber, ob ein Kind eine erfolgreiche Schullaufbahn nimmt oder nicht.

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Arm und Reich, Nord und Süd: Noch immer sind die Voraussetzungen für Kinder in Deutschland stark unterschiedlich – Jungen hinken hinterher

Das Kernproblem der deutschen Bildungspolitik ist keinesfalls behoben. Noch immer entscheidet der Geldbeutel der Eltern darüber, ob ein Kind eine erfolgreiche Schullaufbahn nimmt oder nicht.

Sage mir, woher du kommst, und ich sage dir deine Schulkarriere voraus. Das ist in Deutschland noch immer möglich. Bildungserfolg und soziale Herkunft hängen weiter eng zusammen. Laut neuem Schulleistungsvergleich der Bundesländer hat ein Neuntklässler aus der Oberschicht gegenüber einem Schüler aus einer Arbeiterfamilie eine 4,5-mal so große Chance, ein Gymnasium zu besuchen. Einige Bundesländer haben inzwischen ihr Berufsschulsystem ausgeweitet, um noch mehr Schülern neben dem Gymnasium den Weg zum Abitur zu ermöglichen. Auch wollen die Kultusminister die Hochschulen für qualifizierte Berufstätige ohne Abitur weiter öffnen. Doch der große Durchbruch bei der sozialen Frage ist damit noch lange nicht erreicht.

Migrantenkinder und Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern benötigten mehr Hilfen, wird nun erneut gefordert. Besonders ausgeprägt ist das soziale Bildungsgefälle in Baden-Württemberg und Bayern, aber auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In anderen Bundesländern gelingt die soziale Förderung besser.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) bezeichnete es als „größte Herausforderung“ für alle Länder, die Schulleistung zu sichern und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit beim Schulbesuch herzustellen. Bei einem Leistungsvergleich müsse gerechterweise auch berücksichtigt werden, dass der Anteil der Migranten und auch die soziale Struktur in den Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Der Schulforscher Olaf Köller, unter dessen Federführung der neue Bericht erstellt wurde, verwies darauf, dass einige Bundesländer – so auch Baden-Württemberg und Bayern – in den vergangenen Jahren dazu übergegangen sind, mithilfe berufsbezogener Schulen junge Menschen doch noch zum Abitur zu führen. Vieles spreche dafür, neben dem Gymnasium eine „zweite Säule“ zu schaffen. Eine weitere Ungleichheit: In Deutsch wie in Englisch verfügen die Mädchen in der neunten Klasse über einen Wissensvorsprung gegenüber den Jungen, der dem Lernfortschritt von einem halben Schuljahr entspricht. In der Orthografie beträgt dieser sogar ein ganzes Schuljahr. Niedersachsens Kultusministerin Johanna Wanka (CDU) regte an, über eine spezielle Förderung der Jungen nachzudenken.

Der Leistungsvergleich der Bundesländer zeigt außerdem ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Bayern und Baden-Württemberg liegen deutlich vorn. Aber auch Sachsen und Rheinland-Pfalz konnten sich in verschiedenen Disziplinen in der Spitzengruppe platzieren. Schlusslicht ist – wie auch schon bei früheren Ländervergleichen – die Hansestadt Bremen.

Die Studie erlaubt nach Aussage der Wissenschaftler auch einen Vergleich der Schülergruppen auf den verschiedenen Niveaustufen. Danach haben die leistungsschwächsten Neuntklässler in Bayern gegenüber den leistungsschwächsten Bremer Schülern im Fach Deutsch einen Lernfortschritt von fast zwei Schuljahren.

Ein Ost-West-Gefälle gibt es dagegen im Fach Englisch. Vor allem im Verstehen gesprochener Texte schneiden die Schüler in den neuen Bundesländern schlecht ab. Köller sagte, hier müsse die Fortbildung wie die Ausbildung der Sprachlehrer noch verbessert werden.

Der Bundesländer-Leistungsvergleich wurde erstmals auf der Basis der neuen Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch und Englisch gemacht. 2012 sollen Mathematik und Naturwissenschaften getestet werden. Diese Länder-Untersuchungen lösen insgesamt den bisherigen Pisa-Bundesländervergleich (Pisa E) ab.