Ein „Alzheimerdorf“ als Zukunftsmodell

Amsterdam – Es herrscht reges Treiben auf dem großen Dorfplatz inmitten der flachen, verklinkerten Häuser.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem Reporter Damian Morcinek

Amsterdam - Es herrscht reges Treiben auf dem großen Dorfplatz inmitten der flachen, verklinkerten Häuser. Aufmerksam beobachten vier Rentnerinnen, die auf Stühlen vor dem plätschernden Brunnen Platz genommen haben, wie die Bewohner des Viertels mit vollen Einkaufswagen aus dem Supermarkt zurückkehren. Vor einem Blumenbeet versinken zwei rüstige Herren in einem Plausch. Spaziergänger auf dem Boulevard saugen die warmen Strahlen der Septembersonne auf.

Eine Szene aus einem ganz normalen Dorfleben, könnte man meinen. In Wahrheit jedoch spielt sie sich in einer Pflegesiedlung für Demenzkranke ab. „De Hogeweyk“, so lautet der Name des ersten Dorfs für Alzheimer- und Demenzpatienten. Es befindet sich in Weesp, südwestlich von Amsterdam, und ist ein neues niederländisches Pflegekonzept, das Bewohnern ein normales Leben ermöglichen soll – trotz ihrer Krankheit.

Im April 2008 sind die ersten 100 Alzheimerpatienten aus einem Hochhauskomplex in das mittlerweile mit Supermarkt, Friseur, Café, Restaurant und Theater nahezu komplett ausgestattete Dorf umgezogen. Hier leben darf nur, wer in die höchste Pflegestufe eingeordnet wurde, Demenz im fortgeschrittenen Stadium hat und rund um die Uhr betreut werden muss. 158 sind es aktuell. Die Kosten trägt die Pflegeversicherung.

Der Komplex ist speziell auf die Bedürfnisse seiner Bewohner abgestimmt. 23 geräumige Wohnungen mit gemeinsamem Wohnzimmer, zwei Bädern und einer Küche gibt es hier. „Sechs bis sieben Personen leben darin in einer Wohngemeinschaft. Dabei werden sie 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche so von unserem Personal unterstützt, dass stets der Eindruck entsteht, sie seien selbstständig“, erläutert Yvonne van Amerongen, Mitglied im Management der Pflegesiedlung.

Aufstehen, duschen, frühstücken, abspülen, einkaufen und so weiter – der Alltag der Bewohner in „De Hogeweyk“ sei nicht anders als der einer hochbetagten Person woanders, betont van Amerongen. Die Bewohner können sich frei innerhalb ihres Wohnviertels bewegen. Das Dorf allein verlassen können sie zur Sicherheit nicht, dafür sorgt eine doppelte Schleuse am Eingang. Abgeschnitten von der Außenwelt sind sie aber dennoch nicht, sagt die Managerin: „Täglich besuchen uns Menschen aus den benachbarten Wohngebieten in unserem Dorf.“

Das „Alzheimerdorf“ ist das einzige seiner Art in den Niederlanden – wenn nicht gar weltweit. Dementsprechend groß ist das Interesse aus dem Ausland, sagt van Amerongen. „Auch aus Deutschland.“ Bleibt also abzuwarten, ob ein solches Konzept auch hierzulande Früchte tragen wird.