Doping: Armstrong gesteht in Etappen

Für viele Beobachter galt er längst als entlarvt – nun hat Lance Armstrong selbst sein Leugnen aufgegeben und Doping gebeichtet. Praktisch ohne Ausreden gab der US-Amerikaner bei Star-Talkerin Oprah Winfrey im amerikanischen Fernsehen Doping zu. Jahrelang, mit EPO, Testosteron, Kortison, Wachstumshormon und Blutdoping hatte sich der einstige Vorzeigeathlet zu sieben Erfolgen bei der Tour de France gemogelt.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Für viele Beobachter galt er längst als entlarvt – nun hat Lance Armstrong selbst sein Leugnen aufgegeben und Doping gebeichtet. Praktisch ohne Ausreden gab der US-Amerikaner bei Star-Talkerin Oprah Winfrey im amerikanischen Fernsehen Doping zu. Jahrelang, mit EPO, Testosteron, Kortison, Wachstumshormon und Blutdoping hatte sich der einstige Vorzeigeathlet zu sieben Erfolgen bei der Tour de France gemogelt. Doping sei in seinen Rennställen zwischen 1999 und 2005 eine Selbstverständlichkeit gewesen.

Am 19. Juli 1999, dem zweiten Ruhetag der ersten Tour de France, die er gewinnt

In der TV-Sendung „Larry King Live“ am 26.August 2005

Auf seiner Internetseite am 13. Juni 2012

Armstrongs fünf Antworten in der Talkshow auf die Fragen, ob er verbotene Substanzen konsumiert und EPO, Blutdoping, Testosteron, Kortison und Wachstumshormone eingesetzt hat.

Der „Tyrann“ und „arrogante Sack“ bekennt sich zum Betrug

Mehr, als in dem umfangreichen Bericht der US-Anti-Doping-Agentur Usada im Vorjahr aufgeführt wurde, gab Armstrong im ersten Teil – des publikumswirksam geteilten – Interviews nicht preis. „Zu wenig, zu spät, Lance!“, urteilte nach dem ersten TV-Geständnis die „New York Daily News“. Als „Tyrann“ und „arroganten Sack“ bezeichnete sich der auf Gewinnen um jeden Preis gepolte Athlet selbst. In die Defensive gedrängt, gab sich der frühere unangefochtene Boss im Fahrerfeld auf dem Ledersessel bei Winfrey kleinlaut: „Ich sitze heute hier, um Sorry zu sagen.“ Mit Jeans und Sakko ganz in Blau gekleidet, gab der heute 41-Jährige Doping von Mitte der 90er-Jahre bis 2005 zu. In seinen Comeback-Jahren 2009 und 2010 sei er aber „clean“ gefahren, sagte der Texaner weiter.

Armstrong wirkte im Interview längst nicht mehr so unbezwingbar wie früher. Er vermied zunächst auch die von vielen Beobachtern erhoffte Schlammschlacht, sondern konzentrierte sich darauf, was er sagen wollte: sein eigenes Doping zuzugeben. Armstrong stritt beispielsweise auch ab, dass ein positiver EPO-Test während der Tour de Suisse 2001 vom Dachverband verschleiert worden sei. Teamkollegen hatten zuvor ausgesagt, er habe damals im Gegenzug für diese vermeintliche Gefälligkeit dem Weltradsportverband UCI 125 000 Dollar gespendet. „Die Geschichte ist nicht wahr“, betonte Armstrong. „Es gab keine positive Probe, keine Bestechung des Labors, kein geheimes Meeting mit dem UCIChef“, sagte er. „Manche Dinge waren vielleicht dubios, aber das hier nicht.“

Weltweit löste der TV-Auftritt zunächst eher Enttäuschung aus. „Falls er auf Erlösung aus war, war er nicht erfolgreich“, bemängelte der Chef der Welt-Anti-Doping- Agentur Wada, John Fahey. Für die US-amerikanische Anti-Doping- Behörde Usada, die gegen Armstrong einen mehr als 1000 Seiten starken Bericht samt 26 Zeugenaussagen in der Hand hält, war das Geständnis immerhin „ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“.

„Das ist ein sehr trauriger Tag für den Sport, aber er hat auch eine positive Seite, wenn diese Ausführungen dazu führen können, einen Schlussstrich unter die alten Praktiken zu ziehen“, erklärte das Internationale Olympische Komitee. „Wir erwarten von Armstrong, jetzt alle Beweise den Anti-Doping- Gremien vorzulegen, sodass wir diese dunkle Episode hinter uns bringen können und vorankommen – stärker und sauberer“, teilte das IOC mit. „Viel heiße Luft“ hatte der Bund Deutscher Radfahrer in Armstrongs Äußerung erkannt.

Das „Time Magazine“ fragte sich unterdessen vor allem nach der Motivation für Armstrongs Auftritt. „Es ist schwer, das Herz eines Mannes zu lesen, der so herzlos gewesen ist“, schrieb das Blatt in Anlehnung an die Fahr- und Verhaltensweise des früheren Tour-de- France-Heroen während seiner aktiven Zeit. Jahrelang hatte der hartgesottene Radsport-Cowboy auf Verdächtigungen mit Klagen geantwortet – nun wirkte er brav. „Die ganze Schuld trifft mich“, behauptete er. „Ich habe die Dopingkultur des Radsports nicht erfunden, aber auch nicht versucht, sie zu beenden. Der Sport zahlt jetzt den Preis dafür. Das tut mir leid.“

Eine späte Entschuldigung bei seinen Opfern

Namentlich entschuldigte sich Armstrong bei seiner ehemaligen Physiotherapeutin Emma O'Reilly, die er verklagt und übel beschimpft hatte. Die Irin gehörte zu den 26 Zeugen, die vor der Usada gegen Armstrong ausgesagt hatten. „Sie gehört zu denen, bei denen ich mich entschuldigen muss. Ich habe sie niedergewalzt.“ Unerwähnt blieben Fahrer wie Christophe Bassons und Filippo Simeoni, deren Profikarrieren Armstrong durch Mobbing zerstörte, oder der dreifache Tour-Sieger Greg Le- Mond, der durch die Auseinandersetzungen mit Armstrong wirtschaftlich ruiniert wurde. „Armstrong hat im Radsport jeden zerstört, der erfolgreich war“, klagte LeMond nach der Sendung.