Berlin

Die Liberalen auf der Suche nach sich selbst

Foto: DPA

Draußen auf dem Tisch vor einem der Tagungsräume im Reichstag befindet sich auch ein Stapel Butterdosen. „Brot und Butter“ ist darauf zu lesen, in gelber Schrift auf blauem Untergrund. So lautet das alte und, wenn man Fraktionschef Rainer Brüderle glauben will, auch das neue Erfolgsrezept der FDP. Der Rheinland-Pfälzer hat seiner im Umfragetief darbenden Partei beim jüngsten Parteitag in Karlsruhe die Rückkehr zur Lebenswirklichkeit der Menschen verordnet.

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Berlin – Draußen auf dem Tisch vor einem der Tagungsräume im Reichstag befindet sich auch ein Stapel Butterdosen. „Brot und Butter“ ist darauf zu lesen, in gelber Schrift auf blauem Untergrund. So lautet das alte und, wenn man Fraktionschef Rainer Brüderle glauben will, auch das neue Erfolgsrezept der FDP. Der Rheinland-Pfälzer hat seiner im Umfragetief darbenden Partei beim jüngsten Parteitag in Karlsruhe die Rückkehr zur Lebenswirklichkeit der Menschen verordnet.

Wirtschaft, Steuern, Bildung – liberale Politik für den Alltag der Menschen soll gemacht werden. Doch die Botschaft verebbt ungehört.

Die FDP krebst in Umfragen seit mehr als einem Jahr um die 5-Prozent-Hürde herum. Nicht einmal die Älteren erinnern sich an so schlimme Zeiten. Viele geben dem neuen Vorsitzenden die Schuld dafür. Doch er allein ist nicht das Problem. Vorbei an den Butterdosen, drinnen, hat die FDP zum Bildungskongress der Bundestagsfraktion geladen. Ein paar Dutzend Leute sind gekommen. Der Wirtschaftsminister und Parteivorsitzende Philipp Rösler spricht ein Grußwort über die Bedeutung von Bildung. Einen leisen, unentschlossenen Auftritt legt er hin. Unbemerkt tritt er anschließend vor die Tür, um den dort wartenden Kamerateams ein paar Sätze zur Energiewende zu sagen. Der Wagemut, der Anfang des Jahres aufblitzte, als er der Bundeskanzlerin Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten aufzwang oder streng ordnungspolitisch den Schlecker-Frauen die staatliche Hilfe verweigerte, ist dahin. Maskenhaft wirkt der 39-Jährige heute.

Keine zwei Jahre ist es her, dass die FDP ihn nach einer dynamischen Rede („Wir werden liefern“) beim Parteitag in Rostock zum Nachfolger von Guido Westerwelle gewählt hat. Der junge Arzt aus Niedersachsen sollte den Neuanfang ermöglichen, er galt als perfekter Gegenentwurf zu Westerwelle, dem die Partei zwar einerseits das sensationelle Wahlergebnis von 14,6 Prozent bei der Bundestagwahl 2009 verdankt, den viele heute aber für den herben Vertrauensverlust im Anschluss verantwortlich machen. Das Steuergeschenk für Hotels kam als Klientelpolitik an, die Steuersenkungsversprechen als unglaubwürdig. Mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise konnten die Liberalen, die sich selbst die meiste ökonomische Kompetenz zuschreiben, keine klare Haltung entwickeln.

Ältere FDPler waren schon damals, im Mai 2011, skeptisch, ob der Neuanfang mit der jungen neuen „Boygroup“ mit den beiden Nordrhein-Westfalen Christian Lindner und Daniel Bahr und dem Niedersachsen Rösler gelingen würde. Etwas mehr als ein Jahr später steht fest, dass sie gründlich gescheitert sind. Christian Lindner trat bereits als Generalsekretär zurück, das Trio ist längst keines mehr. Stattdessen reist nun jeder auf seinem eigenen Ticket.

Doch auch inhaltlich hakt es: Offensichtlich wurde die breite Verunsicherung in der Partei Ende vergangenen Jahres in der Euro-Frage. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler hatte damals einen Mitgliederentscheid herbeigeführt darüber, ob die Liberalen die Politik der Rettungspakete für angeschlagene Euro-Mitgliedstaaten mittragen wollen. Eine offene Grundsatzdebatte traute die Parteiführung sich allerdings nicht zu. Rösler verkündete das Ergebnis der Befragung vorab (sein Pro-Rettungskurs erhielt eine knappe Mehrheit), Lindner trat in diesen Tagen zurück – und eine große Chance war vertan. Die Liberalen hätten sich mit einer tief gehenden Debatte über den Weg aus der Krise profilieren können. Stattdessen wurde das Feuer so schnell wie möglich ausgetreten. Eine liberale Partei stellt man sich anders vor.

Rösler hat in einer langen Rede in Karlsruhe auch nicht klargemacht, wo er hinwill mit der FDP. Kurzzeitig aufatmen ließen zwar die Wahlerfolge von Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen und Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein. Seither ist das Gebaren der beiden Landesfürsten, die die FDP für Ampel- und andere Bündnisse öffnen wollen, mehr als selbstbewusst – und Rösler hat ein weiteres Problem. Es wird nun munter spekuliert, ob Lindner nicht der bessere Bundesvorsitzende wäre. Auch Rainer Brüderle ist seit Längerem im Gespräch. Es wäre zwar nicht gut, wenn sich das Personalkarussell schon wieder dreht. Denn der Wähler schätzt solche Art von Selbstbeschäftigung auf Dauer gar nicht. Ob es aber ohne einen erneuten Wechsel an der Spitze noch mal aufwärts geht, ist auch zweifelhaft.

Von unserer Autorin Rena Lehmann