Die langen Schatten des Falklandkriegs

Der 66-jährige Veteran zögert. „Es ist die Erde vom Grab eines argentinischen Soldaten“, sagt er leise. „Meine Freunde in Buenos Aires haben sie mir gegeben“.

Oberst Tony Davies hat im Falkland-Krieg gekämpft. Wie viele der 5000 britischen Soldaten bei der Bodenoffensive im Südatlantik hat er nachts zitternd in Kälte und Dreck zwischen den Felsen gelegen und tagsüber die befestigten Hügelstellungen der Besatzer gestürmt. Gelitten, um gefallene Kameraden getrauert, sich auf den eigenen Tod vorbereitet, den knappen Sieg gefeiert und später die Depressionen im Alkohol ertränkt. Vor zehn Jahren stellte sich der Exmilitär auf dem früheren Schlachtfeld seinen Albträumen und fand den Weg ins normale Leben zurück. Als Mitbegründer der Veteranenorganisation Sama treibt er heute die Aussöhnung zwischen Großbritannien und Argentinien voran. Hier ist Tony Davies' Geschichte in seinen Worten:
„Jeder freute sich über den Krieg. Als 36-jähriger Sergeant Major ließ ich zu Hause meine Frau und drei Töchter zurück. Ich hatte jedoch keine Angst. Wir waren Profisoldaten und sehnten uns danach, zu kämpfen. Und natürlich fühlten wir uns den ,Argies‘ überlegen. Als mein Schiff am 6. Mai ablegte, haben alle geglaubt, dass der Feind kapitulieren würde, sobald wir die Inseln erreichten. Die ersten Zweifel kamen bei der Landung. Wegen des Nebels konnte deren Flugzeuge zunächst nicht fliegen. Bald fielen jedoch die ersten Bomben. Es war hart: Man konnte sich im steinigen Boden nirgendwo eingraben. Jedes Regiment griff der Reihe nach die Hügel an. Jeden Tag gab es Verluste. Es schneite, wegen der Feuchtigkeit waren unsere Füße entzündet. Wir wuschen uns mit dreckigem Wasser aus den Mooren und stanken meilenweit. Denn es gab keine Kleidung zum Wechseln.
Ja, ich hatte ,meinen Krieg‘ bekommen – und es bitter bereut. Ohne Hubschrauber konnten wir nicht vorrücken. Es gab keinen Nachschub, weil die britischen Versorgungsschiffe versenkt wurden. Es gab auch keine Unterstützung durch Artillerie, der die Geschosse fehlten. Als unsere Munition alle war, holten wir uns immer nachts die weggeworfenen argentinischen Gewehre, mit denen wir am nächsten Tag die feindlichen Stellungen angriffen. Hätte der Krieg eine Woche länger gedauert, er wäre vielleicht anders ausgegangen. Natürlich hätte ich mich nie ergeben. Wir waren bereit, dort zu sterben.
Ich hatte Glück, aber 40 Jungs aus meinem Regiment hat es erwischt. Einer von ihnen war erst 19 Jahre alt, er hatte früher meine Kinder gehütet. Ich möchte nicht daran denken, wie viele Menschen ich getötet habe. Ich würde mich sonst vor meinen argentinischen Freunden schämen. Wir waren gut trainiert und diszipliniert – darum haben wir gesiegt. Bei unserem letzten Angriff am 14. Juni liefen deren Soldaten einfach davon.
Die Depression war schrecklich. Ich saß allein in den Nächten und trank, um das Grauen zu vergessen. Ich warf alle Fotos von den Falklands weg und verbrannte mein Kriegstagebuch. Ich wusste, dass es anderen Jungs aus meinem Regiment genauso dreckig ging. Einige begingen Selbstmord. Wir waren zu stolz, um über unser Trauma mit Spezialisten zu sprechen. Eines Tages traf ich jedoch einen Ex-Militär, der ein Bein verloren hatte. Denzel sagte: “Wir brauchen einander. Lass uns eine Veteranenorganisation gründen„. Das war 1990, heute haben wir 5000 Mitglieder und Prinz Charles ist unser Schirmherr.
Ich wünschte, es hätte diesen Krieg nie gegeben. Aber es wäre falsch, ihn sinnlos zu nennen. Wir haben 255 Kameraden verloren, allein darum war es wert, um die Inseln zu kämpfen. Dieses Land wird unser bleiben, solange es die Inselbewohner wollen.
Die argentinischen Veteranen waren zuletzt vor zwei Jahren hier. Wir haben ein Spiel von Manchester City mit Carlos Tevez gesehen. Beim Abschied haben alle geweint. Ich würde gern meine Freunde besuchen. Allerdings möchte ich nicht an der Grenze verhaftet werden. Darum werde ich wohl noch ein wenig warten müssen.“
Von unserem Londoner Korrespondenten Alexei Makartsev