Frankfurt

Die Bundesliga: Das ewige Erfolgsmodell

Volle Hütte, tolle Stimmung: Ähnlich wie hier im Dortmunder Signal Iduna Park sieht es in den meisten Liga-Stadien aus – auch wenn nicht überall die Meisterschalen zu sehen sind.
Volle Hütte, tolle Stimmung: Ähnlich wie hier im Dortmunder Signal Iduna Park sieht es in den meisten Liga-Stadien aus – auch wenn nicht überall die Meisterschalen zu sehen sind. Foto: Imago / jo

Lucien Favre also auch. In der mal wieder viel zu langen Sommerpause legte der Trainer von Champions-League-Teilnehmer Borussia Mönchengladbach ein Bekenntnis ab. „Der Ball ist meine Droge“, gestand der Schweizer unumwunden im bekennend-alternativen Fachblatt „11 Freunde“.

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Klaus Reimann analysiert das Phänomen Bundesliga mit ihrer sich munter weiter drehenden Wachstumsspirale auf nahezu allen Gebieten.

Für Favre wie für alle anderen Fußball-Abhängigen bleibt festzuhalten, dass es am Freitag endlich wieder losgeht mit dem völlig legalisierten Bundesligakonsum. Der Ball rollt wieder – und die Droge wirkt. Bei normalem Gebrauch im Übrigen ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen.

Die Fußball-Bundesliga bleibt ihrer positiven Entwicklung der vergangenen Jahre treu, schreibt ihre Erfolgsgeschichte weiter. Die Umsatzrekorde purzeln, die Zuschauerzahlen pendeln sich irgendwo oberhalb der 13 Millionen ein, was einem Schnitt von ungefähr 45.000 Besuchern pro Spiel entspricht. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es rund 11,5 Millionen, vor 20 Jahren rund 9 Millionen Stadionbesucher pro Saison. Die Bundesliga hat sich zur zuschauerstärksten Fußball-Liga weltweit entwickelt.

Investoren dringend gesucht

Und das trotz der in den vergangenen drei Spielzeiten eher untergeordneten Frage nach der Meistermannschaft. Selbst drei Alleingänge des FC Bayern vermochten den Trend nicht zu stoppen. Das Erlebnis Bundesliga bietet auch so sportliche Anreize zuhauf – auch wenn vielen Kritikern das munter expandierende Wirtschaftsunternehmen mit angegliedertem Spielbetrieb mitunter ein Dorn im Auge ist. Die Suche nach neuen Investoren, um Schritt halten zu können in der Wachstumsfabrik Bundesliga, wird für viele Klubs zur Gratwanderung. Geld von außen annehmen, ohne die eigene Identität zu verlieren, darin liegt das Kunststück. Die Anhänger schauen jedenfalls ganz genau hin. Ein Stück Hoffnung, demnächst mehr vom Kuchen abzubekommen, ruht auf den TV-Rechten, die von der Spielzeit 2017/18 an frisches Geld in die Vereinskassen spülen sollen.

Aber macht mehr Geld glücklich, wenn alle mehr bekommen? Wenn sich an den enormen Verdienstunterschieden zwischen Champions-League-Teilnehmern auf der einen und im Mittelfeld der Liga dahindümpelnden Klubs auf der anderen Seite nichts ändert? Die Finanzfrage wird zur Überlebensfrage stilisiert. Bange Blicke richten sich zudem gen England, wo die Premier League ob ihrer horrenden TV-Einnahmen den Transferwahnsinn derzeit auf die Spitze treibt. Mancher Verantwortliche hierzulande tut gerade so, als drohte schon morgen der Ausverkauf der Bundesliga. Andere wiederum begreifen den Kaufrausch der Briten als Chance, bei einem Wechsel auf die Insel viel Geld für die in den deutschen Klubs ausgebildeten Profis kassieren zu können.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Sponsor …

Für noch mehr Einnahmen durch den Verkauf der TV-Rechte ist die Liga bereit, so manches Opfer zu bringen. Nebenwirkungen wie ein demnächst bis zur Unkenntlichkeit zersplitterter Spieltag werden billigend in Kauf genommen. Und der Fan? Hat das gefälligst zu schlucken. Der Beliebtheit tut das alles keinen Abbruch. Das gilt für die kommende Spielzeit gleichermaßen – und der auch diesmal vermeintlich vorentschiedenen Frage nach dem Titelträger zum Trotz. Die Bayern, wer sonst, heißt es da bei den meisten. Und doch hoffen viele insgeheim auf die Saison-Überraschung. Auf den Thomas-Tuchel-Effekt bei Borussia Dortmund. Auf die Wiederbelebung des Zweikampfes zwischen FCB und BVB. Auf durchstartende Leverkusener oder wider Erwarten himmelsstürmende Schalker. Undenkbar (oder eben auch nicht), wenn diese Liga jetzt auch noch in der Meisterfrage mit ihrer Antwort mal bis zum letzten Spieltag warten würde.

Aber auch an der Spitze sind die Bayern bekanntlich immer ein Thema. Womöglich absolviert der zunehmend genervt daherkommende Pep Guardiola seine letzte Trainersaison beim Rekordmeister. Einst als Idealtyp des Bayern-Trainers beschrieben, reiben sich einige zunehmend an der Art des Katalanen. Bleibt abzuwarten, ob die Beziehung FC Bayern/Guardiola das Zeug zum inneren Zwist mit großer Außenwirkung hat. Denn da geistert ja immer noch der Name Jürgen Klopp durch die Liga, dessen Sabbatjahr just zu Ende geht, wenn Guardiolas Vertrag bei den Bayern ausläuft ...

Im Keller brennt stets das Licht

Was die Münchner oben, sind die Hamburger als verlässlicher Kandidat in den Niederungen der Ligatabelle. Ob es der HSV tatsächlich darauf anlegt, ein drittes Mal über den Umweg Relegation in der Klasse zu verbleiben, der er seit dem Gründungsjahr angehört? Abstiegskampf, so war es zumindest in den vergangenen Jahren, ist sozusagen die neue Meisterschaft. Im Keller brennt stets das Licht, hier tobte zuletzt das Bundesliga-Leben mit all seinen skurrilen Begleiterscheinungen wie Abstieg in letzter Minute oder Rettung in allerletzter Sekunde – diverse Relegations-Dramen nicht zu vergessen.

Die Liga erfindet sich jede Saison immer wieder neu, fördert Überraschungsteams zutage, gebiert mindestens so viele Gewinner, wie es auch Verlierer gibt. Damit die einen von den anderen noch besser unterschieden werden können, haben sich die Technikbegeisterten unter den Regelhütern etwas Neues einfallen lassen. Das Falkenauge, neudeutsch „Hawk-Eye“ genannt, soll fortan unfehlbar über die Frage Tor oder nicht Tor entscheiden.

So hoffen es zumindest all jene, die in dem computergestützten System zur Ballverfolgung ihren Gerechtigkeitssinn befriedigt sehen. Bleibt abzuwarten, wann die Technik erstmals streikt und generell irgendwann die Erkenntnis reift, wie sehr doch die munteren Diskussionen an Stamm- und sonstigen Tischen bei strittigen Fragen den Fußball bereichert haben.

Von denen wird es trotz „Hawk-Eye“ auch in der anstehenden Spielzeit genügend geben. Denn eines ist klar: Der Ball ist und bleibt die Droge. Und die Bundesliga? Ist und bleibt vielleicht auch deshalb so beliebt, weil sie so herrlich ablenkt von den eigentlichen Problemen in der Welt.