Berlin/Koblenz

Dicke Luft im ICE 548: Eine Schreckensfahrt im überhitzten Zug

Nichts als Verspätungen: Am Sonntag mussten auch Reisende am Bahnhof Koblenz Geduld mitbringen.
Nichts als Verspätungen: Am Sonntag mussten auch Reisende am Bahnhof Koblenz Geduld mitbringen. Foto: Marcus Schwarze

Erneut sind in Zügen der Deutschen Bahn am Wochenende Klimaanlagen ausgefallen. Doch die Bahn tut sich nicht nur mit der Technik schwer, sondern auch bei der Krisenkommunikation. Unsere Redakteure Regina Theunissen und Marcus Schwarze haben es erlebt.

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Berlin/Koblenz. Erneut sind in Zügen der Deutschen Bahn am Wochenende Klimaanlagen ausgefallen. Doch die Bahn tut sich nicht nur mit der Technik schwer, sondern auch bei der Krisenkommunikation. Unsere Redakteure Regina Theunissen und Marcus Schwarze haben es erlebt.

Sowohl Bahn als auch Fahrgäste waren gewarnt: Schon eine Woche vor der Reise am Sonntag von Berlin über Hannover nach Koblenz war im ICE 548 keine Sitzplatzreservierung mehr möglich. „Hohe Auslastung“ wurde gemeldet. Klar: Mit dem Feiertag Christi Himmelfahrt wollten viele Menschen das verlängerte Wochenende für längere Reisen nutzen. Glück für den, der weit im Vorfeld Sitzplätze reserviert hatte? Sollte „hohe Auslastung“ tatsächlich stundenlanges Stehen im ICE bedeuten?

Es kam schlimmer. Bereits vor Hannover fiel in zwei Wagen die Klimaanlage aus. Sie wurden „geräumt“, sprich: die Fahrgäste aufgefordert, in andere Abteile zu wechseln. Stehend, liegend, lungernd und lamentierend ergaben sich die Reisenden mit den unliebsamen neu Hinzugekommenen ins Unvermeidliche – eine Fahrt im überfüllten Zug inmitten von Koffern, mieser Laune, schlechter Luft. Das Zugpersonal bat um Rücksicht auf Schwangere, Alte und Kinder.

Der Zugchef gab die gesperrten Wagen wieder frei, als die Klimaanlage wieder zu laufen schien. Dann wurde es in anderen Waggons spürbar wärmer. Nur Einbildung? Kurz vor Bielefeld die Bestätigung über Lautsprecher: Die Klimaanlagen im ganzen Zug sind ausgefallen. Daher die Aufforderung, in Bielefeld auszusteigen. Tipp zur Weiterreise: den Ansagen folgen. „Wir danken Ihnen für die Reise mit der Deutschen Bahn.“

Der Ausfall der Klimaanlagen im ICE ist keine Beeinträchtigung des Komforts: Vielmehr ist das gefährlich. Die Hitze kann tödliche Folgen haben. Kein Fenster lässt sich öffnen, um etwas Frischluft zu bekommen.

Von wegen Ansage. Es blieb dem Zufall überlassen, den richtigen Zug fürs Weiterreisen zu finden, von Ersatz ist keine Rede. Glücklicherweise hat man als moderner Nomade inzwischen öfter einen aktualisierten Bahnfahrplan namens DB Navigator in der Hosentasche, sprich: auf dem Handy. So fand sich ein anderer ICE, zwar auch überfüllt, aber zumindest mit funktionierender Kühlung.

Twitter hilft: Man ist nicht allein mit seinem Ärger. Ein Dienst namens #verspaetet aus zunächst unbekannter Herkunft deutet an: Der neue Zug bringt's nicht. Ein ICE bis Köln fährt nur dann bis Köln, wenn er pünktlich fährt. Ist er es nicht, fährt er nicht so weit. Sondern nur bis Düsseldorf. So auch der Hinweis des Zugbegleiters. Diese Logik mag schlüssig sein, wenn man das große Ganze eines bundesweit koordinierten Fahrplans im Blick haben muss. Die Fahrgäste aber suchten mit technischen Gimmicks erneut Anschluss.

Das Zugpersonal spulte routiniert sein Programm ab, die Entschuldigung für das Unbill folgte erst nach einstudierten Servicehinweisen. Der Mann im Bordbistro spendierte kostenlose Getränke, nur zufällig hörten wir vom Fahrgastrechte-Formular. Später entpuppte sich ein Stempel auf dem komplizierten Dokument als die wohl entscheidende Voraussetzung für eine Entschädigung. Proaktive Krisenkommunikation? Fehlanzeige.

Auf dem überfüllten Düsseldorfer Bahnhof wurde hilfreich über ein schweres Unwetter informiert. Nach rund einer Stunde Warten im stickigen IC auch darüber, dass nach Köln ein anderer Zug genutzt werden kann. Für die Folgen eines Unwetters kann die Bahn nichts. Doch dass der neue Zug über Köln nach Koblenz und Karlsruhe weiterfährt, erfahren findige Fahrgäste nicht durchs Bahnpersonal.

Im nächsten IC ist es nur der Umsicht einiger Leute zu verdanken, dass keine Panik ausbricht. Die Abteile sind überfüllt mit Menschen und Gepäck, die Luft ist erneut stickig, es dauert lange, bis der Zug losfährt. Eine Mutter beruhigt ihre Kinder, eine Frau fragt verzweifelt, ob sie heute noch zu Hause ankommt, ein Polizist mit Dienstwaffe demonstriert Gelassenheit. Doch spürt man die Anspannung unter dem Schweiß der Menschen und ist am Ende der Fahrt nur dankbar: endlich raus hier, aus dieser Bahn.