Der Strom, das unsichtbare teure Wesen

Der Strom wird immer teurer – dies ist nicht nur ein Gefühl der Verbraucher, die sich im Dickicht des Tarifdschungels verheddern. Die Stromrechnung steigt in der Tat nahezu kontinuierlich, zum Jahreswechsel steht sogar ein Aufschlag im zweistelligen Prozentbereich an.

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„So etwas hatten wir noch nie“, sagt Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Er prognostiziert einen Anstieg des Strompreises von 12 bis 13 Prozent. Das Kuriose ist, dass die Preise an der Strombörse in Leipzig zuletzt gefallen sind. Längst spielen die reinen Erzeugungskosten beim Strom nur noch eine Nebenrolle.

Der Strompreis, den der Verbraucher am Monats-, Quartals- oder Jahresende auf seiner Rechnung findet, setzt sich aus vielen Teilen zusammen. Nicht einmal ein Viertel der Kosten entfällt dabei auf die Erzeugung und den Einkauf. Die Verbraucherzentrale geht davon aus, dass die Kosten für die Erzeugung von Strom 2013 auf dem Niveau von 2012 bleiben – bei 6 Cent pro Kilowattstunde. Damit kostet die Erzeugung des Stroms künftig etwa das Gleiche wie die EEG-Umlage und die Netznutzung.

Von den fallenden Kosten spürt der Kunde nichts

„Im Juli 2011 lagen die Erzeugungskosten für Strom bei 7 Cent pro Kilowattstunde, zurzeit liegen sie bei 5,5 Cent“, erklärt Hans Weinreuter. Der Physiker arbeitet seit gut zwei Jahrzehnten als Verbraucherschützer in puncto Energie. Er weiß, wie sensibel die Menschen darauf reagieren, wenn sie erfahren, dass die Erzeugungskosten für den Strom gefallen sind, obwohl der Strompreis insgesamt steigt und steigt. „Spüren Sie etwas von den günstigeren Erzeugungskosten?“, fragt Weinreuter ketzerisch.

Was in der Bevölkerung zurzeit wirklich zu spüren ist, das ist die Sorge, wie die Entwicklung weitergeht. Laut Schätzungen kommen auf einen durchschnittlichen Haus halt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden Strom im kommenden Jahr Mehrkosten von 90 Euro allein durch die Erhöhung der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien und der steigenden Kosten für die Netznutzung zu.

Nicht nur die Ökozuschläge treiben den Preis nach oben

Häufig wird die Kritik darauf beschränkt, dass der massive Zubau an erneuerbarer Energie dazu führt, dass der Strompreis steigt. Tatsächlich ist es eine Mischung aus Faktoren, die den Preis nach oben treibt. Es sind viele „Nebenkosten“, die den Strom für den Verbraucher letztlich teuer machen. Neben Stromerzeugung, EEG-Umlage und Kosten für die Netznutzung, machen die Steuern einen weiteren großen Anteil des Strompreises aus: die bei 2,05 Cent fixierte Ökosteuer und die Mehrwertsteuer von 19 Prozent.

Auch der Staat verdient beim Strompreis ordentlich mit, aber seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 sind es vor allem die vier großen Erzeuger EnBW, EON, RWE und Vattenfall, die den Markt kontrollieren. Die großen vier beherrschen etwa 80 Prozent des Marktes. Kritische Fachleuchte sehen – ähnlich wie bei der Diskussion um den Benzinpreis – vor allem das Problem, dass es auf dem deutschen Markt dadurch keinen „echten“ Wettbewerb gibt.

Verbraucherschützer Weinreuter prangert noch ein anderes Problem an: dass sich die großen Versorger durch den Strompreis zum zweiten Mal ihre Atomkraftwerke finanzieren lassen. „Die alten AKWs sind die Gelddruckmaschinen für die Anbieter“, sagt Weinreuter. Vor Jahren waren die Investitionskosten der Betreiber demnach bereits im Strompreis miteingerechnet, heute sind sie über die Erzeugungskosten enthalten.

Diese und andere, kleinere Faktoren wie beispielsweise der neu integrierte Anteil für die Haftung für Investitionen in Offshore-Windenergieanlagen treiben den Preis nach oben.

Die meisten Verbraucher werden den deutlichen Anstieg zum Jahreswechsel verkraften, aber er trifft ärmere Bevölkerungsschichten wie Hartz-IV-Empfänger hart. Nach Schätzungen wurde bereits 2010 bundesweit 600 000 Haushalten der Strom abgestellt. Laut einer Hochrechnung der Mainzer Verbraucherzentrale waren von solchen Kappungen 2011 im Land mehr als 36 000 Haushalte betroffen – dies war ein Anstieg von 6 Prozent im Vergleich zu 2010.

Von unserem Redakteur Volker Boch