Der liberale Kandidat Bronislaw Komorowski gilt als Favorit

Noch trauriger lässt sich ein Geburtstag kaum vorstellen: Am Morgen stieg Jaroslaw Kaczynski in die Gruft der Krakauer Wawel-Burg hinunter, legte einen Kranz am steinernen Sarkophag seines Bruders Lech nieder. Eigentlich hätten die beiden Kaczynski-Zwillinge an diesem Freitag ihren 61. Geburtstag feiern sollen. Doch Polens Präsident Lech Kaczynski kam im April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Sein Bruder Jaroslaw steht nun allein da – und will die Nachfolge von Lech als Staatsoberhaupt antreten. Deshalb ist der Besuch in der Gruft zelebrierte Trauer und Wahlkampf-Aktion in einem. Eine Mischung, die nicht allen Polen gefällt.

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Noch trauriger lässt sich ein Geburtstag kaum vorstellen: Am Morgen stieg Jaroslaw Kaczynski in die Gruft der Krakauer Wawel-Burg hinunter, legte einen Kranz am steinernen Sarkophag seines Bruders Lech nieder. Eigentlich hätten die beiden Kaczynski-Zwillinge an diesem Freitag ihren 61. Geburtstag feiern sollen. Doch Polens Präsident Lech Kaczynski kam im April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Sein Bruder Jaroslaw steht nun allein da – und will die Nachfolge von Lech als Staatsoberhaupt antreten. Deshalb ist der Besuch in der Gruft zelebrierte Trauer und Wahlkampf-Aktion in einem. Eine Mischung, die nicht allen Polen gefällt.

An diesem Sonntag soll Polen einen neuen Präsidenten wählen. Als Favorit gilt weiterhin der liberale Kandidat Bronislaw Komorowski. Der 58-jährige Schnauzbartträger gehört der Bürgerplattform (PO) von Premier Donald Tusk an. Als Sejm-Marschall (Parlamentspräsident) übernahm Komorowski in den vergangenen zwei Monaten stellvertretend die Funktionen des Staatsoberhauptes. An sich eine Steilvorlage für eine erfolgreiche Wahlkampagne. Doch Komorowski bringt es in Umfragen nur auf vergleichsweise magere 43 Prozent. Er sei zu langweilig, fände bei Auftritten in der Provinz nicht den Kontakt mit den Bürgern, sei bei Reden schlecht vorbereitet – so lauten die Vorwürfe in den polnischen Medien.

Doch die PO hat keinen stärkeren Kandidaten zu bieten: Der sehr beliebte Regierungschef Tusk, der nach Umfragen die Präsidentenwahl im Handumdrehen gewinnen würde, hatte auf die Kandidatur verzichtet. Er will lieber regieren – das vorrangig repräsentative Amt des Präsidenten interessiert ihn nicht mehr. Vielleicht fürchtet Tusk auch ein Deja-vu seiner schmerzhaftesten Niederlage: Bei den Präsidentenwahlen 2005 verlor er in der zweiten Runde sehr überraschend gegen Lech Kaczynski, nachdem dessen Berater in letzter Minute eine erfolgreiche Schmutzkampagne gegen Tusk losgetreten hatten.

Zweiter Favorit nach Komorowski ist Jaroslaw Kaczynski. Für ihn wollen laut Umfragen 31 Prozent der Wähler stimmen. Früher galt Jaroslaw als der härtere der beiden Kaczynski-Zwillinge. Als Premier war er wenig erfolgreich – seine Koalitionsregierung zerschredderte der streitlustige Politiker innerhalb von zwei Jahren. Im Präsidentenwahlkampf hat Jaroslaw diesmal die harschen Töne vermieden. Er betonte die Trauer um seinen Bruder, lobte bei öffentlichen Auftritten die EU und Deutschland, nannte die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard und Konrad Adenauer sein Vorbild.

Die Frage ist nur, wie viele Wähler dem Image des gewandelten Kaczynski Glauben schenken werden.

Außer Komorowski und Kaczynski können sich die anderen Kandidaten kaum realistische Chancen ausrechnen. Für die sozialdemokratische SLD geht der junge Parteichef Grzegorz Napieralski an den Start, Umfragen sehen ihn bei 11 Prozent. Um das Amt bewerben sich außerdem der linkspopulistische Bauernführer Andrzej Lepper und der rechtskatholische Marek Jurek. Da voraussichtlich weder Komorowski noch Kaczynski in der ersten Runde die erforderliche absolute Mehrheit erreichen werden, wird es wohl am 4. Juli noch eine Stichwahl geben.

Von unserer Osteuropa-Korrespondentin Doris Heimann