Rheinland-Pfalz

Demografie-Prognose: Zahlen, die richtig aufrütteln

Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft? Wenn sich Rheinland-Pfalz nicht rechtzeitig auf die zunehmend alternde Bevölkerung einstellt, wird das Leben auf dem Land immer schwieriger.
Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft? Wenn sich Rheinland-Pfalz nicht rechtzeitig auf die zunehmend alternde Bevölkerung einstellt, wird das Leben auf dem Land immer schwieriger. Foto: Fotolia

Die neue Prognose zur Bevölkerungsentwicklung stellt die Politik wie die Gesellschaft vor eine enorme Herausforderung. Die Gründe liegen auf der Hand: Es kommen weniger Kinder auf die Welt und die Lebenserwartung in Rheinland-Pfalz steigt.

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Rheinland-Pfalz. Die neue Prognose zur Bevölkerungsentwicklung stellt die Politik wie die Gesellschaft vor eine enorme Herausforderung. Die Gründe liegen auf der Hand: Es kommen weniger Kinder auf die Welt und die Lebenserwartung in Rheinland-Pfalz steigt. Zum Vergleich: 1950 bekamen Frauen statistisch 2,39 Kinder. Heute liegt die Geburtenrate rechnerisch bei 1,4 oder knapp darunter. Das 1950 geborene Mädchen hat eine Lebenserwartung von 68,5 Jahren. Heute kann ein Baby mit einem 82 Jahre langen Leben rechnen. Und die Lebenserwartung soll bis 2060 noch einmal um sieben Jahre steigen. Das ist die gute Nachricht.

Aber: Die Entwicklung löst ohne Zuwanderer nicht nur einen enormen Druck auf die Rentenkassen aus, wenn in den nächsten Jahrzehnten auf zwei Rentner(innen) nur noch eine Frau oder ein Mann im erwerbsfähigen Alter kommt. Auch die bestehenden „Beton-Strukturen“ von Schulen, Kanälen, Verkehrsnetzen, Wohnungsbau oder Gewerbegebiete sind mit der Bevölkerung gewachsen, die von 1950 bis heute um rund eine Million zugenommen hat. Lassen sie sich alle noch finanzieren und auslasten – vor allem auf dem Land?

Denn die Statistiker stellen mit Blick auf heutige Daten fest: Die Menschen zieht es vom Land in die Ballungsräume oder zumindest in die kreisfreien Städte mit ihren Jobs, Schulen, Kindergärten oder medizinischen Angeboten. Wird es auf dem Land immer einsamer? Wie lässt sich hier noch altersgerecht daheim wohnen – in verlassenen Ortskernen mit wachsenden Wegen zum Bäcker, zur Apotheke oder einem Arzt? Und wie steht es um die Alternative, wenn die Generation Silberhaar auch in die Stadt ziehen will – in möglichst barrierefreie Single-Wohnungen?

Droht eine völlig triste Zukunft? „Wir haben auch kein Patentrezept“, gibt Innen-Staatssekretärin Heike Raab (SPD) zu. Aber: Das Gute an dieser dritten regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung mit einer Fortsetzung für Verbandsgemeinden ist: Die Gesellschaft kann sich vorbereiten, und das Land macht Angebote. Dazu gehören kostenlose Kita-Plätze sowie freies Studium ebenso wie Modelle für Bürgerbusse (per Anruf und Bedarf) oder Medikamente aus dem Automaten. „Wir müssen den ländlichen Raum auch weiter lebenswert und attraktiv halten“, erklärt Demografie-Staatssekretärin Jacqueline Kraege (SPD). Dazu dient auch das Breitbandprogramm, damit der Computer weite Behördenwege erspart oder Arbeitsplätze ermöglicht, ebenso wie alle Impulse, das in Rheinland-Pfalz traditionell ehrenamtliche Engagement mehr zu stärken.

Nach Ansicht der beiden Politikerinnen ist das Thema in den Gemeinderäten und in den Köpfen der Bürger angekommen. Überall? Für die ersten fünf Workshops, mit dem Demografie-Ministerin Malu Dreyer den Beteiligungsprozess „Gut leben im Alter“ forciert, haben sich zwar Gemeinden aus dem Süden des Landes sowie der Mainzer Stadtteil Lerchenberg angemeldet, aber noch keine Kommune aus dem Norden. Vielleicht können andere Kreise sich auch im besonders vom Bevölkerungsrückgang betroffenen Kreis Birkenfeld etwas abschauen. Hier läuft ein vom Bund geförderter Modellprozess „Mitmachen“, wo neue Strategien auf allen Problemfeldern erarbeitet werden sollen.

Die neue Prognose muss landesweit alle gesellschaftlichen Kräfte aufrütteln: Bis 2030 wird es nur noch fünf Gebiete (Mainz, Trier, Landau sowie Trier-Saarburg und Mainz-Bingen) mit Bevölkerungszuwachs geben. „Bis 2060 werden alle Kreise und kreisfreien Städte weniger Einwohner haben“, erklärt das Statistischen Landesamt. Es rechnet bei seiner Prognose bestehende Daten hoch. Schwer kalkulierbar ist die (derzeit eher abnehmende) Zuwanderung. In diesem Punkt gibt es, so Kraege, auch Lichtblicke, seit eine Ausbildung, die im Ausland absolviert wurde, leichter anerkannt wird. 2011 haben sich 176 Ärzte um eine Anerkennung beworben, bis Ende Mai dieses Jahres bereits 123.

Eine Lehre ergibt sich aus den vielen Zahlenkolonnen deshalb auch: Das Land braucht neben guten Ideen für neue Wohn- und Sozialformen auch eine gute Willkommenskultur. Mit ihr und kreativen Konzepten soll sich das Leben auch 2060 noch angenehm meistern lassen.

Von unserer Redakteurin Ursula Samary

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