Brüssel

Das bringt der Türkei-Deal unterm Strich

Gehören solche Bilder von der mazedonisch-griechischen Grenze bald der Vergangenheit an? Von den Verhandlungen mit der Türkei verspricht sich die EU einen Rückgang der Flüchtlingszahlen.  Foto: dpa
Gehören solche Bilder von der mazedonisch-griechischen Grenze bald der Vergangenheit an? Von den Verhandlungen mit der Türkei verspricht sich die EU einen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Foto: dpa

Gut eine Woche haben die Unterhändler der 28 EU-Staaten und der Türkei jetzt Zeit, um aus den Absichtserklärungen des Gipfeltreffens unterschriftsreife Vereinbarungen zu machen. Erst wenn diese Details feststehen, wird klar sein, was die einzelnen Maßnahmen bringen. Doch schon jetzt lässt sich absehen, warum der Deal mit Ankara ein „Durchbruch“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel) ist und wo noch viele Hindernisse zu überwinden sind.

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1 Flüchtlinge umverteilen

Die Türkei erklärt sich bereit, die Grenzkontrollen drastisch zu verschärfen und alle „irregulären Migranten“ wieder zurückzunehmen, die auf griechische Inseln oder in Richtung Balkanroute ausgereist sind. Die Kosten dafür trägt die EU. Im Gegenzug lässt die EU für jeden abgeschobenen Auswanderer einen syrischen Flüchtling, dessen Asylgesuch gute Chancen auf Anerkennung hat, in die Gemeinschaft übersiedeln.

Wirkung: Die Zahl der Flüchtlinge sinkt zunächst nicht, aber diese Maßnahme wäre ein Schlag gegen Schlepper. Denn nun könnten Asylbewerber ohne Hilfe krimineller Schleuser direkt in die Gemeinschaft gebracht werden. In Brüssel hofft man, dass dadurch am Ende eben doch die Zahl der Migranten zurückgeht, weil keine illegalen Zuwanderer mehr kommen, die Lage überschaubarer und kontrollierbarer wird. Allerdings ist noch nicht geklärt, in welche Länder die „legalen Flüchtlinge“ dann verteilt werden. Deutschland hat schon erklärt, niemanden mehr aufzunehmen.

2 Finanzielle Hilfen

Ankara hat zunächst 3 Milliarden Euro gefordert, um Flüchtlingscamps humaner auszustatten, den Menschen Zugang zu Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung zu schaffen. Diese 3 Milliarden hat die EU eingesammelt. 90 Millionen wurden bereits angezahlt. Nun fordert die Türkei ab 2018 einen Fonds, der noch einmal die gleiche Summe enthält.

Wirkung: Die Regionen, in denen die Flüchtlingszentren bisher stehen, sind völlig unterentwickelt. Es fehlt an Wasserversorgung, Kanalisation, Strom und Lebensmitteln. Ankara will mit dem Geld diese Regionen entwickeln, vermutlich aber auch seine Pläne für eine weitere Flüchtlingsstadt an der Grenze auf syrischem Boden finanzieren. Bislang ist nicht absehbar, woher dieses Geld kommen soll. Im EU-Haushalt ist es jedenfalls nicht eingeplant.

3 Visa-Freiheit

770.000 Türken sind im Vorjahr mit einem Visum in die EU eingereist, mehr als 200 000 nach Deutschland. Mit der Forderung nach Visa-Freiheit (nicht nur Visa-Erleichterungen) ab Mitte des Jahres will Premier Ahmet Davutoglu ein Herzensanliegen seiner Bürger erfüllen. Mit der neuen Freiheit könnte er ihnen die Opfer für die Aufnahme von 2,7 Millionen Flüchtlingen schmackhaft machen.

Wirkung: Türken könnten künftig alle Länder des Schengen-Raums ohne Visa bereisen. Der Punkt gilt in der EU als besonders schwierig, weil es auch um die Innere Sicherheit (Schutz vor einreisenden Terroristen) geht.

4 Beitrittsgespräche

Schon vor drei Monaten hat die EU Ankara „neuen Schwung“ für die Beitrittsgespräche versprochen. Zunächst wurde das wichtige Kapitel „Wirtschaft“ eröffnet. Nun macht Ankara Druck und will Fortschritte, um einer Aufnahme in die EU zügig näher zu kommen.

Wirkung: Die Türkei verspricht sich von einer Vollmitgliedschaft massive Fördermittel zur Entwicklung der ländlichen Regionen. Doch die EU bremst weiter – vor allem aufgrund der zunehmenden Repressalien gegen die freie Presse sowie des Krieges gegen die Kurden. Die Kanzlerin hat in Brüssel unterstrichen, dass ein Beitritt nicht auf der Tagesordnung steht.

5 Griechenland

Griechenland braucht dringend Hilfe, nachdem die Grenze zu Mazedonien geschlossen wurde. Das Land würde massiv von der türkischen Zusage, alle illegalen Asylbewerber zurückzunehmen, entlastet. Doch zunächst gibt es Geld: 300 Millionen aus einem Gesamtpaket von 700 Millionen bis 2018 sollen noch 2016 fließen. Zudem haben die Mitgliedstaaten zugesagt, die Übernahme der vereinbarten 160.000 Hilfesuchenden aus hellenischen und italienischen Aufnahmezentren „bedeutend zu beschleunigen“. Bisher wurden nur 872 Menschen in andere EU-Staaten umgesiedelt.

Detlef Drewes