Das Auto fährt, der Fahrer entspannt: Industrie arbeitet an Roboterwagen

In mehreren Schritten wollen Industrie und Forschung das autonome Fahren ermöglichen. Bis zur endgültigen Verwirklichung dieser Vision werden allerdings noch viele technische, gesellschaftspolitische und rechtliche Fragen beantwortet werden müssen.
In mehreren Schritten wollen Industrie und Forschung das autonome Fahren ermöglichen. Bis zur endgültigen Verwirklichung dieser Vision werden allerdings noch viele technische, gesellschaftspolitische und rechtliche Fragen beantwortet werden müssen. Foto: Adobe Stock

Die Zukunft des Autofahrens hat längst begonnen: Busse verkehren in Berlin und Bayern testweise ohne Chauffeur, Volkswagen will im nächsten Jahr einen selbstfahrenden, mit der Umgebung vernetzten Golf auf die Piste schicken, auf der A 9 sind heute schon automatisierte Lkw in einer Karawane unterwegs, die per WLAN gesteuert wird. Nicht nur die deutsche Autoindustrie arbeitet mit Hochdruck an der Verwirklichung der Vision vom fahrerlosen Fahren. Bis es jedoch in Masse und Serie so weit ist, wird es noch viele Jahre dauern, müssen nicht wenige technische Probleme gelöst, rechtliche Fragen beantwortet werden.

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Das Roboterauto mag ja für die meisten Bundesbürger eine utopische Vorstellung sein, doch bei deutschen Herstellern arbeiten schon Tausende Techniker und IT-Spezialisten an der schönen neuen Welt. Rund 52 Prozent aller weltweiten Patente zum automatisierten Fahren stammen aus Deutschland. Dennoch: Laut einer Studie zum autonomen Fahren, die das Forschungsinstitut Prognos jüngst im Auftrag des ADAC vorlegte, werden erst ab dem Jahr 2040 in größerer Zahl Autos angeboten, die völlig autonom unterwegs sind. Im optimistischsten Fall sind dann zehn Jahre später bis zu 70 Prozent Fahrzeuge unterwegs, in denen der Fahrer zumindest auf Autobahnen das Lenkrad nicht mehr anpacken muss. Der ADAC konstatiert: „Noch bis weit ins 21. Jahrhundert hinein werden den Prognos-Forschern zufolge ganz normale neben vollautomatisierten Fahrzeugen unterwegs sein.“ Die verhaltene Sicht rührt daher, weil Deutsche prinzipiell skeptisch gegenüber technischen Neuerungen eingestellt sind, unabhängig davon, dass es womöglich auch zukünftig Menschen geben wird, die auf die Freude am Selbstfahren nicht verzichten möchten.

Dabei sind die Argumente der Befürworter auf den ersten Blick bestechend: Autonome, intelligente Fahrzeuge können dazu beitragen, Staus zu vermeiden, die benötigte Antriebsenergie effektiver zu nutzen, Menschen mobiler zu machen, die bisher nicht Auto fahren können oder wollen, den Güterverkehr effizienter und umweltschonender auf die Straßen zu bringen, den ÖPNV günstiger und damit womöglich auch in ländlichen Regionen flächendeckend einzusetzen. Nicht zuletzt werde das Roboterfahrzeug den Risikofaktor Mensch ersetzen: Autonomes Fahren sei sicherer, heißt es. So spricht das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer Veröffentlichung optimistisch von Studien, wonach selbstfahrende Autos das Unfallrisiko um mehr als 90 Prozent senken können – „vorausgesetzt, die Technik funktioniert einwandfrei“.

Der Experte Prof. Horst Wieker nennt eine weitere Grundvoraussetzung für den bahnbrechenden Einsatz von vollautomatisierten Fahrzeugen: Die Gefährte müssen erst noch die intuitive Situationswahrnehmung des Menschen lernen, um mögliche Gefahren einschätzen und entsprechend reagieren zu können. Schlüsseltechnologie sei die sogenannte künstliche Intelligenz (siehe Artikel unten rechts).

Die Entwicklung dorthin wird allgemein in einem Stufenmodell erklärt. Ausgehend von Stufe 0 (der Fahrer fährt vollkommen ohne Unterstützung) und den heute schon üblichen Fahrassistenzsystemen der Stufe 1 können teilautomatisierte Fahrerassistenzsysteme der Stufe 2 automatisch bremsen, beschleunigen und im Gegensatz zu Level 1 auch das Steuer übernehmen. Gänzlich Zukunftsmusik ist dann schon das hochautomatisierte Fahren der Stufe 3: Fahrer können sich unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft vom Verkehrsgeschehen abwenden und die Fahraufgabe vollständig an das Fahrzeug delegieren, müssen allerdings stets in der Lage sein, die Fahraufgabe innerhalb weniger Sekunden wieder zu übernehmen. Level 4 ist die Vorstufe zum autonomen Fahren, da das Fahrzeug selbst hochkomplexe Verkehrssituationen selbstständig meistert. Der Fahrer, so die Vorstellung, könnte während der Fahrt sogar schlafen, müsste jedoch fahrtüchtig bleiben, um im Bedarfsfall das Steuer zu übernehmen. Stufe 5 wäre schließlich das komplett fahrerlose Fahren. Kritiker wie der Ingenieurpsychologe Prof. Dr. Sebastian Pannasch sehen vor allem im hochautomatisierten Fahren (Stufe 3) ein Gefährdungspotenzial: Solange der Mensch in brenzligen Situationen noch eingreifen muss, um Unfälle zu vermeiden, werden die Fahrer gar nicht ent-, sondern eher noch belastet (siehe Artikel unten). Eine Sicht, die Dr. Thomas Wagner von der Dekra Dresden teilt. Und er fragt, was der künftige Rollentausch vom aktiven Fahrer „zum Überwacher eines automatisierten Systems“ für die geistige, körperliche und charakterliche Eignung zukünftiger Fahrer bedeuten kann. Ob es neue Eignungsanforderungen und -tests geben wird und Menschen, die heute noch locker die Führerscheinprüfung bestehen, schlimmstenfalls durch ein Raster fallen könnten. Bislang seien entscheidende Fragen weder vom Gesetzgeber noch von Herstellern oder Forschung umfassend berücksichtigt, warnt Wagner angesichts der verbreiteten Euphorie. Mal abgesehen davon, dass man neue Risiko- und Gefahrenpotenziale der Roboterautos wie einen möglichen Totalausfall der Systeme oder Hacker- und Virenangriffe nur erahnen kann.

Spätestens seit den jüngsten Unfällen IT-gestützter Fahrzeuge in den USA hat auch hierzulande die Diskussion Fahrt aufgenommen, wer in einem solchen Fall juristisch zu belangen ist, wer also künftig die Haftung übernimmt: Ist es der Fahrer, der Hersteller des Roboterautos oder, wie Joachim Müller, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG, vor wenigen Tagen in der Zeitung „Die Welt“ ausführte, auch „verschuldensunabhängig“ der „Halter oder Betreiber der Maschine“?

Die Idee vom autonomen Fahren

Schon der Universalgelehrte Leonardo da Vinci soll eine Art selbstfahrendes Auto gezeichnet haben. Doch es hat rund 500 Jahre gebraucht, bis Techniker und Ingenieure die Vision des Fahrens ohne Fahrer in die Wirklichkeit umsetzen können.

Die auf dieser Seite wiedergegebenen Diskussionsbeiträge von Horst Wieker, Sebastian Pannasch und Thomas Wagner sind im Rahmen eines Seminars zum Thema „Mobilität 4.0“ geäußert worden, das der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) am 8. und 9. November im Hotel „Zugbrücke“ in Höhr-Grenzhausen (Westerwaldkreis) veranstaltete.

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