Das „Auge im All“ sah erst mit einer Brille brillant

Hubble
Das Weltraumteleskop Hubble, montiert vor seine jüngste, extra-spektakuläre „Geburtstagsaufnahme“. Foto: HST/NASA

Vor 20 Jahren brachte eine Raumfähre ein wissenschaftliches Instrument in eine Erdumlaufbahn, das die Astronomie revolutionieren sollte. Das Weltraumteleskop „Hubble“ schenkte uns neben vielen spektakulären Aufnahmen von Himmelskörpern ein neues Bild des Universums.

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Wohl kaum ein wissenschaftliches Instrument ist so bekannt wie das Weltraumteleskop „Hubble“. Vier Jahrhunderte nach der Erfindung des Fernrohrs haben „Hubble“ und seine Geschwister-Observatorien im Orbit unser Bild vom Kosmos erneut revolutioniert. Seit 20 Jahren kreist der Veteran der großen Weltraumteleskope um die Erde. „Hubble hat viel mehr geleistet, als sich irgendjemand hätte vorstellen können“, schwärmt der europä〜ische Chefkoordinator für das Weltraumteleskop, Robert Fosbury. „Hubble hat ganz neue Bereiche der Astronomie eröffnet.“

Das illustriert etwa die Erforschung ferner Welten, sogenannter extrasolarer Planeten bei anderen Sternen. „Als „Hubble“ gestartet ist, hatte noch niemand extrasolare Planeten entdeckt“, erläutert Fosbury. Heute analysiere das Weltraumteleskop sogar die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre dieser Planeten. So hat es erstmals organische Moleküle auf einem Exoplaneten nachgewiesen – und ist mit solchen Untersuchungen auch möglichem Leben im All auf der Spur.

Hubble
Der Riesenspiegel umkreist die Erde in einer Höhe von 575 Kilometern alle 96 Minuten.
Foto: dpa-Infografik

Einzelne Sterne erkennbar

Der große Vorteil der Weltraumobservatorien ist, dass sie außerhalb der störenden, unruhigen Lufthülle unseres Planeten einen freien Blick in die Tiefen des Alls haben. Erst mit „Hubble“ wurde es möglich, einzelne Sterne in anderen Galaxien zu erkennen. Außerdem lassen sich im Orbit Wellenlängenbereiche wie das Infrarot beobachten, die von der Atmosphäre verschluckt werden.

Hubbles Werk ist mehr als üppig: Rund 600 000 Aufnahmen von etwa 30 000 Himmelsobjekten hat das Weltraumteleskop nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa seit 1990 gemacht. Jeden Monat funkt es 80 Gigabyte Beobachtungsdaten zur Erde – das entspricht 80 großen Enzyklopädien. Etwa zehn Milliarden US-Dollar (rund 7,5 Milliarden Euro) haben die Nasa und die mit 15 Prozent beteiligte Europäische Raumfahrtagentur ESA dafür bislang in das Teleskop gesteckt.

Hubble hat geholfen, die Geburt von Sternen und Planeten aufzuklären, das Alter des Universums auf rund 13,7 Milliarden Jahre zu bestimmen und die mysteriöse Dunkle Energie zu untersuchen, die das Universum auseinandertreibt. Und es hat die Öffentlichkeit mit ungezählten spektakulären Fotos begeistert. Hubbles Erfolg ist auch die Geschichte einer gelungenen Öffentlichkeitsarbeit.

Eine Menge Physik drin

„Tatsächlich sind diese Bilder oft für die Wissenschaftler ähnlich bedeutend wie für die Gesellschaft“, betont ESA-Koordinator Fosbury. So erleichtere diese Art der Darstellung Forschern den Überblick. Die schillernden Farbbilder sind eine rechnerische Kombination mehrerer Einzelaufnahmen in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Zusammenhänge, die sich in den Einzelaufnahmen nicht einfach erkennen ließen, würden oft in der Kombination schlagartig klar, schildert der Astronom. „Die Farbbilder enthalten eine Menge Physik, denn die Farben zeigen die Eigenschaften der Gase, Sterne und so weiter.“

Das Weltraumteleskop hat das Universum aber nicht nur bunter gemacht, sondern auch größer. „Als Hubble gestartet wurde, lagen die fernsten Objekte, die wir sehen konnten, auf etwa halbem Weg zum Ursprung des Universums“, schildert Fosbury.

In scheinbar leeren Himmelsregionen hat das Weltraumteleskop dann Tausende Galaxien in Milliarden Lichtjahren Entfernung aufgespürt. Es blickt damit zwar nicht ganz bis zum Anfang des Universums zurück, „aber ziemlich weit in die ersten Milliarden Jahre. Das hat die Kosmologie wirklich revolutioniert“, betont Fosbury. Und es war auch ein großer Antrieb für das Weltraumteleskop der nächsten Generation, das James-Webb-Space-Telescope, das 2014 ins All starten soll.

Hubbles Geschichte reicht Jahrzehnte zurück. Bereits 1923 spekulierte der Raketenpionier Hermann Oberth (1894–1989) über ein Teles〜kop im Erdorbit. 1977 genehmigte der US-Kongress das Budget für ein großes Weltraumteleskop. Schon damals bekam es den Namen des US-Astronomen Edwin Hubble (1889–1953), der in den 1920er-Jahren die Ausdehnung des Weltalls bewies und damit das Fundament für die Urknalltheorie legte. Space Shuttle Discovery brachte Hubble dann am 24. April 1990 ins All und stationierte es tags darauf im Orbit.

Optik wurde korrigiert

Zwei Monate nach dem Start folgte der Schock: Hubbles 2,4 Meter großer Hauptspiegel, zuvor gepriesen als „glattester Spiegel der Welt“, war leicht falsch geschliffen. Das Superteleskop hatte einen Sehfehler. Nach drei Jahren, bei der ersten Service-Mission, bekam das Milliarden-Dollar-Instrument dann eine Brille, die Korrekturoptik Costar. Noch viermal sind Astronauten zu dem Teleskop geflogen und haben jeweils ein nahezu runderneuertes Instrument zurückgelassen.

Die letzte Service-Mission fand im Mai 2009 statt, weitere wird es nicht geben: Die Shuttle-Flotte wird in diesem Jahr ausgemustert. Wie lange Hubble noch durchhält, ist offen. Der Andrang der Forscher bleibt gewaltig. „Für die nächste Beobachtungsperiode haben Wissenschaftler zehnmal mehr Nutzungszeit beantragt als zur Verfügung steht“, berichtet Fosbury. „Das ist ein Rekord.“

In der Öffentlichkeit avancierte Hubble zu einem der berühmtesten wissenschaftlichen Geräte überhaupt. Die oft fast malerischen Bilder aus den Fernen des Alls haben die Welt beeindruckt. Wenn alles gut läuft, soll das berühmte „Auge“ noch mindestens bis 2014 im Einsatz bleiben. Geht es nach den Plänen der Nasa, wird Hubble dann gezielt zum Absturz gebracht und in der Erdatmosphäre verglühen.

Till Mundzeck/Axel Müller