CONTRA: Der Chef des Steuerzahlerbundes Rheinland-Pfalz, Harald Augter

„Das schöne Geschenk eines gebührenfreien Kita- Platzes verwandelt sich in einen Klotz am Bein. Das ist keine Investition in die Kinder, sondern ein Geschenk an die Eltern, finanziert aus den Taschen der Kinder.“

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Jeder freut sich, wenn er etwas geschenkt bekommt oder für eine Leistung nichts bezahlen muss: das Begrüßungsgeschenk bei einem Zeitungsabo, die zehnte Autowäsche ist kostenlos oder eben ein gebührenfreier Kita-Platz. Aber nur weil etwas für den Empfänger entgeltfrei ist, heißt das noch lange nicht, dass dafür keine Kosten anfallen. Der Zeitungsverleger finanziert das Geschenk über die Laufzeit des Abos, die Autowäsche schlägt die zehnte Wäsche auf die neun anderen obendrauf. Die Kosten der Kindertagesstätte zahlt der Staat – also jeder von uns Steuerzahlern.

Gebührenfreie Kita-Plätze wären im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch vertretbar, wenn der Staat üppige Überschüsse oder wenigstens einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen könnte. Dem ist aber nicht so. Jedes Jahr muss das Land Rheinland-Pfalz Hunderte Millionen Euro an neuen Schulden machen, um seine Ausgaben zu finanzieren. Für diese Schulden fallen jedes Jahr Zinsen an, die den Haushalt mehr und mehr belasten. Ein heute aufgenommener Euro muss aber morgen mit Zins und Tilgung zurückgezahlt werden. Das schöne Geschenk eines gebührenfreien Kita-Platzes verwandelt sich in einen Klotz am Bein. Den dort untergebrachten Kindern wird nämlich auch gleich der Schuldschein mit in die Schuhe geschoben. Diese Kinder werden es sein, die irgendwann die Kredite von heute mit Zinsen zurückzahlen müssen. Das ist keine Investition in die Kinder, sondern ein Geschenk an die Eltern, finanziert aus den Taschen der Kinder. Und die Kinder können sich nicht einmal dagegen wehren, dass ihnen ihr finanzieller Spielraum für die Zukunft eingeengt wird.

Aus diesem Grund ist es richtig, wenigstens diejenigen zur Finanzierung eines Kita-Platzes heranzuziehen, die ihn selbst finanzieren können, und sei es auch nur anteilig. Auch in anderen Bundesländern gibt es Beitragsfreiheit für Eltern, die sich einen Kita-Platz nicht leisten können. Die Beitragsfreiheit für alle Eltern in Rheinland-Pfalz ist also eher ein Geschenk an einkommensstarke Familien.

Im Vergleich der Bundesländer untereinander muss ebenfalls die Frage der Gerechtigkeit gestellt werden. Das Land Hessen beispielsweise gibt jedes Jahr viele Hundert Millionen Euro seines Steueraufkommens ab, das unter den ärmeren Ländern wie Rheinland- Pfalz verteilt wird. Auf diese Weise sollen, heißt es im Grundgesetz, gleiche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland geschaffen werden. Dieser Grundsatz wird jedoch ad absurdum geführt, wenn ein Nehmerland wie Rheinland- Pfalz seinen Bürgern eine Wohltat gönnt, die sich ein Geberland wie Hessen nicht leistet. Unsere Nachbarn finanzieren praktisch bessere Lebensverhältnisse in unserem Land. Dass das in Hessen zu Unmut führt, ist ganz klar.

Bei den Gebühren für das Studium muss man ebenfalls die Frage stellen: Wie gerecht ist ein kostenloses Studium für alle? Durch den Abschluss eines Hochschulstudiums erlangt der Absolvent eine Ausbildung, die ihm in der Regel ein höheres Einkommen verschafft.

Warum soll die Allgemeinheit ihm seinen privaten finanziellen Vorteil finanzieren? Und das selbst beim Millionärssohn, der im Porsche zur Mensa fährt.

Es ist ebenfalls kein Argument, dass der Staat später höhere Steuereinnahmen hat, weil der Akademiker ein höheres Einkommen erzielt. Es ist empirisch erwiesen, dass die Kosten des Bildungsbetriebes eben nicht durch höhere Steuereinnahmen wieder eingespielt werden.

Eine Finanzierung der Universitäten durch die Allgemeinheit ist auch gegenüber den Menschen ungerecht, die nach der Schule nicht zur Hochschule gehen. Zur Verdeutlichung ein kleiner Vergleich: Angenommen, zwei Abiturienten überlegen nach der Schule, was sie werden wollen. Der eine geht studieren, der andere geht in die Lehre. Der Student wird für mindestens rund fünf Jahre keine Einkünfte erzielen, verursacht aber Kosten für seine Ausbildung. Bezahlt werden diese vom Lehrling, der über die Steuern aus seinen Einkünften – erst als Lehrling, dann als ausgelernte Fachkraft – den Bildungsbetrieb für den Studenten zahlt. Die Früchte des Studiums erntet jedoch der Hochschulabsolvent allein.

Das bedeutet aber nicht, dass alle Studenten sofort Studiengebühren zahlen sollen und damit eine Barriere für Menschen ohne finanzielle Reserven aufgebaut werden soll. Wer sich aus eigenen Mitteln das Studium leisten kann, der soll es auch aus eigener Tasche bezahlen. Wer aber über diese Mittel nicht verfügt, der soll nicht von höheren Bildungsabschlüssen ausgeschlossen werden. Ihm könnte über Studienkredite die Möglichkeit der Finanzierung seines Studiums gegeben werden. Die Gebühren könnten beispielsweise in das Bafög-System integriert werden. Momentan erhalten Studenten hierdurch zinsgünstige Darlehen für den Lebensunterhalt, die sie am Ende des Studiums teilweise zurückzahlen. Verfügen die Absolventen nicht über die finanziellen Möglichkeiten, das Studiendarlehen zurückzuzahlen, wird es ihnen gestundet. Eine Ausweitung dieses Systems auf Studiengebühren wäre erstens gerecht und zweitens systematisch einfach zu lösen.

Von Harald Augter