Berlin

Bundeswehrreform: De Maizière behält die Richtung bei – Veränderungen in RLP

Es gehört zu den Eigenheiten von Thomas de Maizière, nichts als gegeben hinzunehmen, nicht einmal die Floskeln, die alle Experten im Schlaf herunterbeten können. Wie etwa die simple Beschreibung, dass es Aufgabe des neuen Verteidigungsministers sei, die Bundeswehr von „jetzt rund 250 000 auf künftig bis zu 185 000 Soldaten zu reduzieren“.

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Berlin. Es gehört zu den Eigenheiten von Thomas de Maizière, nichts als gegeben hinzunehmen, nicht einmal die Floskeln, die alle Experten im Schlaf herunterbeten können. Wie etwa die simple Beschreibung, dass es Aufgabe des neuen Verteidigungsministers sei, die Bundeswehr von „jetzt rund 250 000 auf künftig bis zu 185 000 Soldaten zu reduzieren“.

Nachgeprüft und korrigiert: Seine Aufgabe sei es, den Umfang der Bundeswehr von 221 068 Soldaten auf 175 000 „plus X“ zu bringen, stellt de Maizière klar. Wobei er das X sogleich erläutert. 88 Tage Zurückhaltung, intensivste Beratung und mit Hochdruck gefertigte Entwurfsplanungen sind vorbei. Jetzt geht es um den konkreten Radikalumbau der Truppe.

Das neue Bild vom Luftikus Karl-Theodor zu Guttenberg, der ein einziges Fiasko in der Truppe hinterlassen habe, und seinem seriösen Nachfolger Thomas de Maizière, der jetzt alles in Ordnung bringt, dieses Bild versucht de Maizière selbst zu zerstreuen. Unter den zahlreichen Experten, von denen sich de Maizère Rat holte, ist dem Vernehmen nach mehrmals auch sein Vorgänger gewesen. Und vor der Öffentlichkeit gibt es ein Lob hinterher. Guttenberg habe „dieses große Rad angeworfen“, das bleibe sein bleibendes Verdienst. Er sei nur „aus anderen Gründen daran gehindert“ worden, das Werk fortzusetzen.

Zu viele Häuptlinge

Tatsächlich hat die von Guttenberg berufene Experten-Kommission unter Leitung von Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise die Schwachstellen bereits schonungslos offengelegt, die de Maizière nun griffig zusammenfasst: „Zu viele Stäbe und zu viele Generalsterne“ und insgesamt „strukturelle Wucherungen“. Das Grundproblem der Truppe besteht nicht nur darin, dass es zu viele Häuptlinge für zu wenig Indianer gibt. Es geht auch darum, dass im Laufe der Zeit überall parallele Verantwortlichkeiten entstanden sind, sodass bei einer Entscheidung zwar immer viele zu beteiligen sind, aber niemand wirklich haftbar gemacht werden kann.

Jede einzelne dieser Doppelstrukturen ist historisch erklärbar. Doch angesichts des historischen Einschnitts des Radikalumbaus von der Wehrpflicht- zur Freiwilligen-Armee macht sich de Maizière daran, den ganzen Wildwuchs zu kappen. An manchen Stellen deutlicher, als es Guttenberg vor hatte, an anderen Stellen leicht zurückhaltender.

Bonn-Frage auf den Herbst vertagt

So will er das Ministerium zwar ebenfalls drastisch verkleinern. Aber nicht von 3400 auf 1700 wie Guttenberg, sondern auf „rund 2000“ Bedienstete. Das sind aber noch etwas mehr, als Strukturkommission (1500) und Guttenberg (1800) vorgesehen hatten. Der Personalabbau soll sich auf alle Hierarchieebenen erstrecken.

Wie Guttenberg denkt offenbar auch de Maizière daran, den Verbleib des Ministeriums in Masse in Bonn infrage zu stellen. Die langen Sekunden des Zögerns, als er darauf nun öffentlich angesprochen wurde, sie sprachen Bände.

Ob das Ministerium sich auf Berlin konzentrieren wird, wird erst im Oktober entschieden. Derzeit sitzt der größte Teil der Mitarbeiter noch in Bonn. De Maizières Kritikpunkt: „Wir haben für die Zahl unserer Aufgaben zu viele Stäbe“ und zu viele Führungspositionen. Es gebe zu viel Aufsicht über zu wenig Arbeit. Verantwortung werde zu oft geteilt, zwischen den Hierarchien verschoben oder verweigert.

Unterm Strich muss das für Bonn keinen einzigen Posten Verlust bringen, hatte schon die Weise-Kommission skizziert. Viele arbeiten an ihren eigenen Bonner Schreibtischen weiter, sie gehören dann allerdings nicht mehr zum Ministerium, sondern zu einer nachgeordneten Behörde. Andere kämen sogar noch zusätzlich nach Bonn.

Für den Gesamtumbau der Truppe kalkuliert de Maizière sechs bis acht Jahre ein, das meiste werde aber in den ersten zwei Jahren hinzukriegen sein. Dennoch will er die Radikalkur in enger Abstimmung mit der Opposition auf die Beine stellen, damit sie auch über zwei Wahlperioden kontinuierlich wirken kann (sollte denn die Regierung 2013 wechseln).

De Maizière will die Strukturen derart straffen, dass er mit weniger Soldaten mehr Leistung bringt. Derzeit ist die Bundeswehr mit 7000 Soldaten im Auslandseinsatz am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Künftig soll sie bis zu 10 000 ständig für den Einsatz stellen können.

Das Heer schrumpft von fünf auf drei Divisionen, was jedoch nicht mit gestrichenen Dienstposten verwechselt werden dürfe, betont der Minister. Eher laufe das auf überflüssig werdende Stabsorganisationen hinaus. Die „Feinausplanung“ startet jetzt, dann soll im Oktober klar sein, welche Standorte gestrichen werden. Vor allem das Stabslastige Koblenz mit dem Heeresführungskommando könnte bei einer Straffung der Führungsspitze Schulterklappen lassen. Und auch andere Standorte in Rheinland-Pfalz dürften sich auf Veränderungen einstellen. So soll bei der Luftwaffe die Divisionsebene abgeschafft werden, was die 2. Luftwaffendivision in Birkenfeld unmittelbar betreffen wird. Und auch die Sanitätskommandos wie das in Diez sollen eingespart werden. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass die Standorte geschlossen werden.

Gerüchte erwartet

De Maizière selbst sagt für die nächsten Wochen eine „Fülle von Gerüchten“ voraus. Er werde keines dementieren, nur auf die Entscheidung im Herbst verweisen. Die Nachwuchswerbung kommt zuerst dran. Dabei will er den Modernitätsschub. Die Mitarbeiter bräuchten weniger Büros, dafür Auto und Laptop, um auf die jungen Menschen zuzugehen. „Ich weiß nicht, ob ich irgendeinen Sitz eines Kreiswehrersatzamtes erhalten werde.“ So klingt Radikalreform.

Von Gregor Mayntz und Peter Lausmann