Berlin/Rheinland-Pfalz

Bufdis kommen fast überall gut an

Bufdis kommen gut an.
Bufdis kommen gut an. Foto: dpa

Nicht einmal mehr der Name löst heute noch fragende Blicke aus. Ein Jahr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht hat sich der Bufdi durchgesetzt. Mehr als 32 000 Menschen zwischen 27 und 65 Jahren sind zurzeit im neuen Bundesfreiwilligendienst tätig. Sogar besonders kritische Sozialverbände finden lobende Worte für die neue Möglichkeit für Bürger zwischen 27 und 65, sich freiwillig zu engagieren. Der gute alte Zivi allerdings wird trotzdem noch vermisst.

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Zum 1. Juli vergangenen Jahres war mit dem Aussetzen der Wehrpflicht auch der Ersatzdienst weggefallen. Soziale Einrichtungen hatten damals befürchtet, dass vor allem für zwischenmenschliche Zuwendung weniger Zeit bleibt, wenn es keine Zivis mehr gibt. Das Familienministerium hatte in einer Hauruck-Aktion den Bufdi erfunden, um den Ausfall abzumildern. Auch wenn der unerwartete Ansturm auf den neuen Bufdi-Dienst die Erwartungen übertroffen hat – die Bundesregierung hat begrenzt für bundesweit 35 000 Stellen Geld bereitgestellt -, der Wegfall von zuletzt noch etwa 70 000 Zivildienstleistenden in Altenheimen und Krankenhäusern lässt sich damit nicht ausgleichen. „Niemand verhungert im Altenheim, aber die menschliche Zuwendung ist weniger geworden“, bilanziert Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes in Berlin. Gleichzeitig bezeichnet er den Bundesfreiwilligendienst aber als eine Erfolgsgeschichte. „Wir sind platt. Es gibt eine höhere Nachfrage als Plätze“, sagt Hesse. Vor allem in Ostdeutschland würden viele Menschen über 27 den neuen Dienst als Sprungbrett zu einem Arbeitsplatz verstehen.

Gewerkschaft bleibt skeptisch

Gerade an diese Möglichkeit glaubt man bei den Gewerkschaften aber nach wie vor nicht. Im Gegenteil: „Es ist großartig, wenn sich Menschen bürgerschaftlich engagieren. Aber wir beobachten genau, ob reguläre Arbeit verdrängt wird“, sagt Bernhard Jirku, Arbeitsmarktexperte bei Verdi. Bufdis könnten für Arbeiten eingesetzt werden, die regulär sozialversicherungspflichtig entlohnt werden müssten, befürchtet man bei Verdi. „Wir gehen davon aus, dass sich Grauzonen entwickeln“, so Jirku. Eine Ersatzarbeitswelt dürfe es nicht geben.

Die zuständige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) nennt die rege Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst indes eine „politische Sensation“. Im ersten Jahr haben sich ihren Angaben zufolge bereits insgesamt 50 000 Menschen beteiligt, 20 Prozent davon seien älter als 50 Jahre. „Wir sprechen damit also nicht nur die Jungen, sondern auch die Älteren an: den Schreinermeister im Ruhestand, der in die Kita geht und mit den Kindern Vogelhäuser baut. Die pensionierte Lehrerin, die Kindern mit Migrationshintergrund bei den Hausaufgaben hilft“, sagte Schröder der Zeitung „Die Welt“. Forderungen der Kommunen nach einer Aufstockung erteilte sie jedoch eine Absage. Dafür gebe es „im Moment keine zusätzlichen Mittel“ – das sei Konsens aller Fraktionen im Bundestag.

Kritik aus der Opposition

Grüne und SPD üben Kritik an den durch den neuen Dienst entstandenen Doppelstrukturen. Neben dem neuen Dienst gibt es unter der Regie der Bundesländer weiter auch das freiwillige soziale Jahr (FSJ) und das freiwillige ökologische Jahr (FÖJ). Aus Sicht des jugendpolitischen Sprechers der Grünen, Ulrich Schneider, verkompliziert der Bufdi das bestehende System. „Mit dem Bundesfreiwilligendienst wurde ein Bürokratiemonster geschaffen“, sagt er. Ziel von SPD und Grünen ist es laut Sönke Rix (SPD), möglichst bald alle Dienste „unter einem Dach zusammenzuführen“.

In Rheinland-Pfalz ziehen die Wohlfahrtsverbände eine positive Bilanz. In den ersten Monaten ist der Dienst im Land eher schleppend gestartet. „Wir hatten aufgrund der kurzen Vorlaufzeit Anlaufschwierigkeiten“, sagt Gerd Schillo, Leiter des Freiwilligenbüros der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Rheinland-Pfalz/Saarland. „Allerdings konnten wir dies durch intensive Werbung gut kompensieren.“ Die AWO bietet 113 Stellen im Bundesfreiwilligendienst an, alle wurden besetzt. Die Abbrecherquote liegt laut Schillo zwischen 15 und 20 Prozent. Er kritisiert allerdings auch einen zu hohen Verwaltungsaufwand. „Wir kämpfen noch mit der ausufernden Bürokratisierung des Dienstes.“

Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Rheinland-Pfalz/Saarland wird man mit Bewerbungen regelrecht überhäuft. „Wir haben ein Kontingent von 300 Stellen, könnten allerdings gut 500 Stellen besetzen“, sagt Verena Sommer, Leiterin der Servicecenters. Sie sagt: „Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Erfolg. Es muss nun dringend mehr Stellen geben.“ Eine Erfahrung, die auch Jutta Klein von der Caritas in Koblenz teilt. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten“, sagt sie, „aber das Interesse am Bundesfreiwilligendienst ist derzeit riesig groß.“ Acht Stellen bietet die Caritas in Koblenz an. Die waren aber schnell vergeben. „Wir hatten deutlich mehr Interessenten.“

Von unseren Redakteuren Rena Lehmann und Dietmar Telser