Incheon/Rheinland-Pfalz

Begrenzung der Erderwärmung: Klimawettlauf mit der Zeit

Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne)
Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) Foto: dpa

Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad wird zu einem Wettlauf mit der Zeit. Der Weltklimarat IPCC mahnte rasches Handeln in allen Feldern und eine Nachbesserung der nationalen Klimaschutzziele an, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens doch noch zu erreichen. In einem IPCC-Spezialbericht warnen die Autoren zugleich davor, was schon bei einer Erwärmung um 1,5 Grad passieren kann – und erst recht bei 2 Grad. Beobachter beschrieben den Sonderbericht als politischen Weckruf.

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Die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erfordere „rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft“, erklärte der IPCC im Anschluss an eine mehrtägige Sitzung in der südkoreanischen Küstenstadt Incheon. Es gehe um Veränderungen in den Bereichen Energie, Industrie, Gebäude, Transport, bei der Landnutzung und in den Städten.

Der globale Ausstoß etwa von Kohlendioxid (CO2) müsste nach dem IPCC-Bericht für das 1,5-Grad-Ziel von 2010 bis 2030 um 45 Prozent fallen und im Jahr 2050 null erreichen. Der Klimawandel wirke sich bereits auf Menschen, Ökosysteme und Lebensgrundlagen auf der ganzen Welt aus, mahnten die Forscher. „Eine der Kernaussagen des Berichts ist: Wir sehen derzeit bereits die Konsequenzen von 1 Grad Erderwärmung wie mehr Extremwetter, steigende Meeresspiegel, schwindendes arktisches Meereis und andere Veränderungen“, sagte der Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe, Panmao Zhai.

Weltweit könnte es zudem noch viel schlimmer kommen. Denn die meisten Forscher sind sich einig, dass der Globus ohne zusätzliche Anstrengungen auf 3 bis 4 Grad Erwärmung zusteuert. Im Klimaabkommen von Paris hatten die Länder Ende 2015 eine Obergrenze von deutlich weniger als 2 Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau beschlossen. Es sollte auf Drängen kleiner Inselstaaten zudem versucht werden, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.

Rheinland-Pfalz gehört nach Überzeugung von Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) zu den Regionen, die in Deutschland besonders betroffen wären. Das Rheintal zwischen der Südpfalz und Bingen gehört zu den Hotspots des Klimawandels: Im Oberrheingraben werden inzwischen rund 60 Sommertage im Jahr gezählt, das sind Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 25 Grad. Die Anzahl dieser Sommertage ist seit 1951 um rund 20 gestiegen, wie aus einem Bericht des Rheinland-Pfalz-Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen hervorgeht. Im landesweiten Mittel gibt es etwa 40 Sommertage pro Jahr. Weniger als 20 Sommertage werden nur noch in den Hochlagen von Hunsrück, Eifel und Westerwald gezählt.

„Hitzewellen wie in diesem Sommer treten in unserem Bundesland zunehmend häufiger auf und sind oftmals auch intensiver als in der Vergangenheit“, erklärte die Umweltministerin. „Der Klimawandel ist Realität und auch bereits in Rheinland-Pfalz deutlich spürbar.“ Die Jahresdurchschnittstemperatur für Rheinland-Pfalz ist dem Bericht zufolge seit 1881 um 1,5 Grad gestiegen – deutschlandweit waren es 1,4 Grad. Innerhalb Deutschlands zähle Rheinland-Pfalz „zu den am stärksten von den direkten klimatischen Auswirkungen betroffenen Regionen“.

Von Deutschland forderte IPCC-Mitautorin Daniela Jacob, noch mehr auf erneuerbare Energien zu setzen. „Wir müssen die Emissionen verringern und überall versuchen, CO2 einzusparen.“ Deutschland tue nicht genug dafür. Mit Blick auf Deutschland bedeute eine Begrenzung der Erwärmung um 1,5 Grad genau wie für andere Regionen, dass „weniger Wetterextreme zu erwarten sind“, sagte Jacob. Bei 2 Grad gebe es unter anderem mehr Starkregen und Dürreperioden.

Angesichts dieser neuen Warnungen versprechen die zuständigen Bundesministerien jetzt mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren“, erklärte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. „Wir müssen den Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen.“ Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) fügte hinzu: „Wir brauchen starke Beiträge aus der Forschung und müssen das Potenzial der Wissenschaft noch stärker ausschöpfen.“

An diesem Dienstag treffen sich die Umweltminister der EU in Brüssel, um über ihre Position vor der kommenden Weltklimakonferenz und den Klimaschutz im Verkehr, also strengere CO2-Grenzwerte für Neuwagen, zu verhandeln.

Rotes Kreuz warnt vor mehr Klimakatastrophen

Angesichts des Klimawandels warnt das Rote Kreuz vor mehr und vor allem schwierigen Katastropheneinsätzen. „Mehr als die Hälfte unserer Operationen sind inzwischen wetterbedingt, viele weitere werden vom Klima beeinflusst oder zusätzlich verschärft“, sagte der Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Francesco Rocca, in Genf. „In einer 1,5 Grad wärmeren Welt werden mehr Ereignisse mit extremem Wetter alle Menschen betreffen. Besonders grausam wird es dann für Gemeinschaften, die schon jetzt wegen Konflikten, Unsicherheit und Armut ums Überleben kämpfen“, ergänzte er.

Laut der Weltorganisation für Meteorologie sind 2016 rund 23,5 Millionen Menschen wegen wetterbedingter Katastrophen geflüchtet.

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