Ausgeprägte Sammelleidenschaft

In einer zentral geführten Planwirtschaft ist der Hang zur Erfassung und Auswertung von Daten besonders ausgepägt. Ein Beispiel ist die große elektronische Kaderdatei mit Daten von über 600.000 Führungskräften der DDR.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

In einer zentral geführten Planwirtschaft ist der Hang zur Erfassung und Auswertung von Daten besonders ausgepägt. Ein Beispiel ist die große elektronische Kaderdatei mit Daten von über 600.000 Führungskräften der DDR.

Die „Datei Grenzzwischenfälle“ wurde von 1971 bis 1990 im Rechenzentrum des Kommandos der Grenztruppen in Pätz bei Berlin gepflegt. „Insgesamt wurden etwa 650.000 Grenz-Zwischenfälle mit der EDV erfasst; nicht nur die berüchtigten Mauerschützenfälle und die Fluchtversuche, sondern alle denkbaren Vorkommnisse an der Grenze wurden festgehalten. Der Besuch des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan 1986 wurde ebenso erfasst wie jede Schulklasse auf einer der Aussichtsplattformen an der Berliner Mauer, jeder Militärtransport, jedes Manöver in Sichtweite der Grenze“, beschreibt sie Ulf Rathje, von 1993 an Mitarbeiter im Bundesarchiv in Berlin.

Der „Datenspeicher Gesellschaftliches Arbeitsvermögen“ enthält Daten über den beruflichen Werdegang von 7,3 Mio. DDR-Bürgern und wird seit 2002 von der Universität Jena ausgewertet.

Im „Arbeitskräftedatenspeicher Volksbildung“ stehen Informationen zu 330.000 Beschäften in Kindergärten, Horten, Heimen, Sportstätten und Schulen.

In den Häftlingsdateien finden sich viele Informationen zu den über 350.000 DDR-Häftlingen der Jahre 1980-1990, darunter Informationen über persönliche Verhältnisse der Häftlinge bis hin zu ihren sexuellen Neigungen.

Die „Datei Studienbewerber“ vermerkt Daten der über 600.000 Studienbewerber der letzten fünf Jahre der DDR.

Daten der Außenhandelsbetriebe“ vermerkt Buchführungsdaten, wohl auch dubiose Transaktionen. Der berühmt-berüchtigte Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski war zuständiger Staatssekretär.

Eingabenprojekt des Staatsrats“ ist eine Datenbank mit 1,2 Millionen Einträgen von 1979 bis zum Ende der DDR. Eine ähnliche Datei gibt es für die etwa 60.000 Eingaben an den Staatsrat der DDR aus den letzten fünf Jahren.

3000 Magnetbänder des Innenministeriums wurden 1997 in einem ehemaligen Luftschutzkeller wiederentdeckt. Sie enthielten Personaldaten der Volkspolizei inklusive Disziplinarstrafen, ein Register aller Brände und die Kriminalstatistik der DDR.

Das „Zentrale Einwohnerregister“ der DDR wurde, wie im Einigungsvertrag festgelegt, 1993 vernichtet. Darin war jeder DDR-Bürger mit einer eindeutiger Personenkennziffer vermerkt, die ihn überall identifizierte.

jo