Gorleben

Atomtransport spaltet die Region

Die Castoren sind auch rund um Gorleben ein Zankapfel. 
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Die Castoren sind auch rund um Gorleben ein Zankapfel. Foto: dpa

Wenn einmal im Jahr ein Castor ins niedersächsische Gorleben rollt, dann reißt das nicht nur tiefe Gräben in die bundespolitische Landschaft. Auch im Landkreis Lüchow-Dannenberg sind die Menschen beim Thema Zwischen- und möglicherweise bald Endlager tief gespalten.

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Gorleben. Wenn einmal im Jahr ein Castor ins niedersächsische Gorleben rollt, dann reißt das nicht nur tiefe Gräben in die bundespolitische Landschaft. Auch im Landkreis Lüchow-Dannenberg sind die Menschen beim Thema Zwischen- und möglicherweise bald Endlager tief gespalten.

Von unserem Redakteur Christian Kunst

Während die einen vom wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung im ehemaligen Zonenrandgebiet träumen, finanziert durch Gelder der Atomindustrie, schließen sich andere den Protesten an.

„Wir haben uns immer überlegt, wie die Region wirtschaftlich vorangebracht werden kann. Nachdem der Standort seinerzeit ausgewählt wurde, sind hier 3000 Arbeitsplätze entstanden. Das ist der größte Arbeitgeber in der Samtgemeinde“, sagte Friedrich-Wilhelm Schröder, Bürgermeister der Samt-(Verbands-)gemeinde Gartow dem Radiosender NDR Info. Wie viel Geld seit der Einrichtung des Zwischenlagers 1981 an die Gemeinde Gorleben und die Samtgemeinde geflossen, kann Schröder nicht genau beziffern. Er spricht von mehreren Millionen Euro. Fakt ist aber, dass Gorleben aktuell jährlich 500 000 Euro an Ausgleichszahlungen von der Atomindustrie erhält. Das 525-Einwohner-Dorf hat eine Mehrzweckhalle, einen Sport- und Jachthafen sowie eine Kegel- und Schießbahn. Die Samtgemeinde bekommt laut Schröder sogar jährlich 800 000 Euro.

Von Schmier- oder Schweigegeld will der Bürgermeister nichts wissen: „Das ist nicht mehr als legitim. Wenn eine Gemeinde sich entscheidet, nationale Aufgaben wahrzunehmen, dann muss das auch honoriert werden.“ Schröder und andere Atomkraftbefürworter in dem mit 50 000 Einwohnern am dünnsten besiedelten Landkreis in Niedersachsen hoffen, dass ein künftiges Endlager noch mehr Geld in die Region spült. Das könnte in eine bessere Verkehrsinfrastruktur fließen – schließlich ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg von den wichtigsten Verkehrsadern abgeschnitten. Andere setzen auf eine Stärkung des Tourismus.

Doch wenn der Castor nach Gorleben rollt, sind diese Stimmen eher leise. Dann haben die Gegner das Sagen. Der Gartower Architekt Günther Herbst ist einer, der für die Protestbewegung im Wendland lebt, auch wenn er innerhalb seiner Familie teils als „Spinner“ abgetan wird. „Da bleib ich auch Chaot. Wir können nicht kompromisslos aufgeben.“ Der 71-Jährige, dessen Leidenschaft das ökologische Bauen ist, kann Streitereien um Gorleben kaum aus dem Weg gehen. „Durch meine Familie geht ein Riss“, sagt er.

Auch die Mehrheit im Kreistag ist strikt gegen Gorleben – trotz hoher Verschuldung des Kreises. „Die Region ist tief gespalten. Das geht von der Politik bis runter an jeden Geburtstagstisch“, sagt der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz (parteilos). Und er weiß: „Ich kann für den Landkreis nicht so weit gehen, dass wir uns um des Geldes willen verkaufen und Gorleben zustimmen“, sagt Schulz. Doch irgendwann, das weiß auch er, wird eine Entscheidung unumgänglich sein.

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