50 Jahre Élysée-Vertrag: Eine deutsch-französische Beziehung

Paris/Pünderich – Voilà, jetzt ist wissenschaftlich bestätigt: Die Deutschen mögen die Franzosen, und die Franzosen mögen die Deutschen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Ifop-Instituts im Auftrag der deutschen Botschaft in Paris.

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Fragt man Franzosen, was ihnen spontan zu Deutschland einfällt, antworten sie: Merkel, Bier, Berlin und Autos. Die Deutschen wiederum denken bei dem Nachbarland an Paris, den Eiffelturm, an Wein und Baguette. 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée- Vertrages gibt es kaum noch Ressentiments. Im Gegenteil, manchmal ist aus der deutsch-französischen Freundschaft sogar „l'amour“, die große Liebe, geworden – so wie bei Nathalie Lasserre und Herbert Schlaadt. Bei ihnen lässt sich der Charme der grenzübergreifenden Beziehung besonders gut erleben.

Es entstehen viele Schul- und Städtepartnerschaften, langjährige Freundschaften und manchmal auch Ehen – so wie bei Nathalie Lasserre und Herbert Schlaadt. Die beiden sind quasi Kinder der deutsch-französischen Annäherung – und seit 1992 verheiratet. Sohn Antoine (7) und Tochter Manon (10) wachsen zweisprachig auf.
Es entstehen viele Schul- und Städtepartnerschaften, langjährige Freundschaften und manchmal auch Ehen – so wie bei Nathalie Lasserre und Herbert Schlaadt. Die beiden sind quasi Kinder der deutsch-französischen Annäherung – und seit 1992 verheiratet. Sohn Antoine (7) und Tochter Manon (10) wachsen zweisprachig auf.
Foto: Birgit Pielen

Das Paar wohnt mit seinen zwei Kindern in Pünderich, einem bezaubernden Moselort im Kreis Cochem- Zell. „Unser Leben ist tatsächlich ein bisschen anders“, sagt Nathalie Lasserre (46). Das hängt unter anderem mit dem „savoir vivre“, der französischen Lebensart, zusammen. Jeden Tag wird zweimal warm gegessen, abends frühestens um 19 Uhr. Auf dem Tisch stehen französischer Rotwein – da ist Nathalie Patriotin – und eine Karaffe mit Leitungswasser. Die Kinder Antoine (7) und Manon (10) bevorzugen Apfelschorle. „Das wiederum ist total deutsch“, sagt Nathalie. „Jedes französische Kind findet das himmlisch.“

Der französische Ministerpräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer bekräftigen nicht nur per Händedruck, sondern am 22. Januar 1963 auch per Unterschrift den Willen zur Freundschaft: mit dem Élysée-Vertrag.
Der französische Ministerpräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer bekräftigen nicht nur per Händedruck, sondern am 22. Januar 1963 auch per Unterschrift den Willen zur Freundschaft: mit dem Élysée-Vertrag.
Foto: DPA

Zwischen den Kulturen

Nathalie weiß um die Unterschiede besonders gut: Sie ist als Kind zwischen den Kulturen groß geworden. Mutter Gisela ist eine Deutsche, Vater Bernard Franzose. Er war als Soldat in Wittlich stationiert, als er über den Kasernenzaun die junge Gisela erblickte. O là là! Die deutsch-französische Beziehung fand in Toulouse ihre Fortsetzung. „Dort bin ich aufgewachsen“, sagt Nathalie. „Aber damals war die Abneigung gegenüber Deutschen noch groß. Meine Mutter hat deshalb nur Französisch mit mir gesprochen.“

Trotzdem: Schon als Kind ist Nathalie fasziniert von der Heimat ihrer Mutter. „Das war wie in einem Schlaraffenland“, sagt sie, „alles war so geordnet, so strukturiert. Außerdem gab es Gummibärchen und Schnee.“ Sie studiert Germanistik, zieht mit 23 Jahren nach Deutschland. Beim Rosenmontagszug 1992 lernt sie Herbert Schlaadt kennen – es ist alles andere als eine närrische Begegnung. Schnell erfährt sie, dass Frankreich so etwas wie seine zweite Heimat ist. Der 51- Jährige ist in der Moselstadt Zell aufgewachsen, die seit Jahrzehnten eine Jumelage, also eine Städtepartnerschaft, mit Crépy-en-Valois nahe Paris pflegt. Seine Eltern haben sich ganz früh in dieser Jumelage engagiert. „Mit fünf oder sechs Jahren war ich zum ersten Mal in Frankreich“, sagt er. Früher wie heute hat er das Gefühl, „in einer anderen Welt zu sein, sobald man über die Grenze fährt“.

Jeder küsst jeden, man trifft sich mittags im Café, diskutiert leidenschaftlich über Politik. „Die Franzosen können sich dabei die Köpfe heißreden“, sagt Herbert Schlaadt, „ein paar Minuten später liegen sie sich aber wieder in den Armen.“ Nathalie lacht. „Ja, Politik ist bei uns so etwas wie Religion.“ In Frankreich sind kirchliche Angelegenheiten streng vom Staat getrennt. Die Kirche tritt nicht als Arbeitgeber auf, man bezahlt keine Kirchensteuer, Religion ist kein Schulfach, Politiker schwören nicht auf Gott. „Alles andere wäre undenkbar bei uns“, sagt Nathalie.

Austausch seit 32 Jahren

Doch es gibt vieles, was sie in Deutschland schätzt, unter anderem die Sprache. „Ich finde das Deutsche melodiös“, sagt sie. „Und man kommt ganz schnell auf den Punkt. Der Franzose braucht drei Sätze, wo der Deutsche mit einem auskommt.“ „Deshalb muss der Franzose schneller sprechen“, ergänzt ihr Mann.

Abseits der offiziellen Städtepartnerschaft sind inzwischen viele enge Freundschaften in Crépy-en- Valois entstanden. „Seit 32 Jahren treffen wir uns regelmäßig mit unserer Clique“, sagt Herbert Schlaadt. Wobei „Clique“ untertrieben ist: Mit Söhnen und Töchtern sind es schnell schon mal 50 Leute, die sich mindestens einmal pro Jahr sehen. Und dann wird natürlich auch über die Eigenheiten der Kulturen diskutiert. Staunend beobachten die Franzosen, wie in Deutschland samstags die Straßen gekehrt werden; dass die Bauern im Sommer Felder mit einer Kassette für Blumengeld haben, die erstens gefüllt und zweitens nicht geklaut wird. Dann erzählen sie von „le bordel“, dem Chaos zu Hause in den Metropolen, und den ständigen Streiks. Und wundern sich, dass die Deutschen trotz aller Ordnung etwas griesgrämig wirken.

Laut Studie des Ifop-Instituts meinen die Franzosen, ihr Land solle sich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik stärker am deutschen Modell orientieren. Aus Sicht der Deutschen ist Frankreich ein Land, „in dem sich gut leben lässt“. Eine Mischung aus beidem wäre vielleicht wirklich das Schlaraffenland, das sich Nathalie in ihrer Kindheit vorgestellt hat.

Von unserer Redakteurin Birgit Pielen