Rheinland-Pfalz

30 Jahre Freundschaft: Land will Jugend für Ruanda begeistern

Die Frage ist so amüsant wie bezeichnend: „Wo liegt eigentlich Deutschland in Rheinland-Pfalz?“, wird man in Ruanda gern gefragt. Für das kleine ostafrikanische Land wirkt das mittelgroße deutsche Bundesland wie eine entwicklungspolitische Supermacht. Das liegt daran, dass die Rheinland-Pfälzer ihren afrikanischen Partnern lange Zeit tat- und finanzkräftig die Treue gehalten haben – über Kriege und Krisen hinweg.

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Rheinland-Pfalz. Die Frage ist so amüsant wie bezeichnend: „Wo liegt eigentlich Deutschland in Rheinland-Pfalz?“, wird man in Ruanda gern gefragt. Für das kleine ostafrikanische Land wirkt das mittelgroße deutsche Bundesland wie eine entwicklungspolitische Supermacht. Das liegt daran, dass die Rheinland-Pfälzer ihren afrikanischen Partnern lange Zeit tat- und finanzkräftig die Treue gehalten haben – über Kriege und Krisen hinweg.

Seit 30 Jahren hat sich diese außergewöhnliche Partnerschaft zwischen einem Bundesland und einem Staat des Schwarzen Kontinents bewährt. „Ein Grund zum Feiern“, findet nicht nur Innenminister Roger Lewentz (SPD). „Auf das, was wir hier geschaffen haben, sind wir sehr stolz.“

Diesen Satz dürften alle Parteien im rheinland-pfälzischen Landtag unterschreiben. Aber nicht nur sie: Denn die Freundschaftsbande werden vor allem an der Basis geknüpft: Schulen, Vereine, Kommunen – sie schreiben, helfen, besuchen sich.

Brücke zwischen Kulturen geschlagen

Ein Stück Rheinland-Pfalz lebt in Ruanda, und ein Stück Ruanda lebt in Rheinland-Pfalz. Der Staat bildet nur den Rahmen, das organisatorische Fundament, auf dem sich eine lebendige Graswurzelpartnerschaft entwickelt hat. Sie ist weit mehr als Langzeit-Entwicklungshilfe. Seit Jahren bemühen sich die Leitfiguren dieses Bündnisses, Menschen zusammenzubringen – über alle kulturellen, politischen und materiellen Grenzen hinweg. Klar ist: Der direkte Austausch soll künftig noch intensiver gefördert werden.

Vision von „einer Welt“ lebendig

Allein 205 Schulpartnerschaften helfen mit, dass Kinder auf beiden Kontinenten konkret erleben, was die Vision von „einer Welt“ bedeuten kann. Sie teilen ihr Alltagswissen, ihre Sorgen, ihre Freuden. Oft geschieht das per Brief, neuerdings auch über E-Mails auf elektronischem Weg.

Zur Ehrlichkeit gehört, dass nicht alle Partnerschaften wirklich mit Leben erfüllt sind. Auch hier hängt vieles von den örtlichen Akteuren auf beiden Seiten ab. Dennoch sind die Verantwortlichen in der Ruanda-Arbeit – in Regierung und Partnerschaftsverein – von dem eingeschlagenen Weg überzeugt. „Wir wollen dieses Jahr 30 neue Schulpartnerschaften gewinnen“, kündigt Innenminister Lewentz an. Dieses Mal soll erstmals eine Förderschule, in der beeinträchtigte Kinder unterstützt werden, mit im Boot sein. Rheinland-Pfalz will sich stärker um das Schicksal behinderter Menschen in Ruanda kümmern, die besonders unter Armut und mangelnder Fürsorge leiden.

Schulen sollen sich noch stärker engagieren

Wollte man das Jubiläumsjahr mit einem Motto ausstatten, würde es wohl so oder ähnlich lauten: „Wir wollen die Jugend für die Partnerschaft gewinnen.“ Viele Rheinland-Pfälzer, die die Ruanda-Arbeit tragen, sind in die Jahre gekommen. Der Nachwuchs fehlt. Daher werben Land und Verein verstärkt um junge Mitstreiter. Aus diesem Grund wird im Oktober eine Jugenddelegation nach Afrika reisen – Vertreter von Jugendorganisationen, Vereinen, Schulprojekten. „Wir wollen die Partnerschaft nach vorn entwickeln“, sagt Innenminister Lewentz. „Dazu brauchen wir den Generationenwechsel.“ Deswegen hat der Minister sich auch entschieden, junge Leute und nicht verdiente Honoratioren zu der diesjährigen offiziellen Delegationsreise einzuladen.

Für Rheinland-Pfalz hat die Partnerschaft nach wie vor hohe Priorität. Trotz Schuldenbremse wurde der Haushaltsansatz nur geringfügig gekürzt. Jahr für Jahr fließen vom Land 1,5 Millionen Euro. Dazu kommen jährlich 1 Million Euro an Spenden und zusätzlich eine hohe Summe, die direkt von der Basis in ruandische Projekte fließt. Das Ruanda-Referat in Mainz und vor allem das Koordinierungsbüro in der Hauptstadt Kigali sorgen dafür, dass die Gelder aus Rheinland-Pfalz auch wirklich bei den Bedürftigen ankommen. Sie fließen in Schulbauten, Agrarprojekte oder etwa in die Ausbildung von Handwerkern.

Seit 1982 konnten so 1700 Projekte realisiert werden. Insgesamt wurde die Partnerschaft mit 68 Millionen Euro gefördert, ein Fünftel davon waren Spenden. Neben den Schulen unterhalten auch 49 Kommunen, 55 Vereine und 15 Pfarreien besondere Beziehungen zu ihren Pendants in Afrika.

Büro in Kigali vor Abriss?

Auch in einer Langzeitbeziehung wie dieser ist beileibe nicht alles Sonnenschein. Wohl ausgerechnet im Jubiläumsjahr müssen die 27 Mitarbeiter des Koordinierungsbüros aus dem historischen Gebäude in Kigali ausziehen, das ihnen bisher als Basis diente. Der Abriss droht, weil chinesische Investoren dort Luxuswohnblocks errichten wollen. Alle rheinland-pfälzischen Interventionsversuche liefen ins Leere. Jetzt wird ein neuer Standort gesucht. Doch auch diesen Dämpfer wird die Partnerschaft überstehen.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück