München

100 Jahre – und sie summt noch immer

Ihre Abenteuer sollen im kommenden Jahr auch noch dreidimensional werden: Biene Maja (Mitte), ihr bester Freund Willi (links), den es im Buch noch nicht gab, und der Grashüpfer Flip, der im Buch noch keinen Namen hatte.
Ihre Abenteuer sollen im kommenden Jahr auch noch dreidimensional werden: Biene Maja (Mitte), ihr bester Freund Willi (links), den es im Buch noch nicht gab, und der Grashüpfer Flip, der im Buch noch keinen Namen hatte. Foto: DPA

Die abenteuerlustige Biene Maja und ihre Freunde haben Generationen junger Fernsehzuschauer geprägt. Für Millionen Menschen sind sie ein Teil Kindheitsgeschichte. Gebannt saßen Kinder vor dem Bildschirm, wenn Karel Gott anstimmte:

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„In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit ...“, wenn Maja und Willi ihren Freund Flip aus den Fängen einer fleischfressenden Pflanze befreien, sich gegen die hinterhältige Spinne Thekla oder eine ganze Hornissenarmee wehren mussten. Vor der Serie gab es schon einen Biene-Maja-Stummfilm und zwei Hörspiele.

Die Geschichte der Biene aber geht noch weiter zurück. Sie begann vor mehr als 100 Jahren in der Freisinger Straße 28 in Schleißheim bei München. Dort schrieb der Autor Waldemar Bonsels für seine beiden Söhne aus erster Ehe das Buch „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“. Im Spätsommer 1912 kam es auf den Markt. Eine normale Honigbiene lebt selten länger als einen Sommer – diese berühmte Biene hat inzwischen schon 100 Sommer geschafft. „Die Biene Maja ist schon 100 Jahre alt und ein Nationalschatz und ein über drei Generationen gehender Erfolg, der in den Herzen bleibt“, sagt Sänger Karel Gott. „Die, die damals Kinder waren, sind heute vielleicht Großväter.“

Das Buch – in dem zum Beispiel Willi übrigens gar nicht vorkommt – wurde nach einigen Anlaufschwierigkeiten im frühen 20. Jahrhundert zum Bestseller und Autor Bonsels zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit. Er profitierte vor allem vom Feldbuchhandel, der den Kinderroman unter die Soldaten brachte. Als der Erste Weltkrieg endete, hatte Bonsels 90 000 Exemplare verkauft und war ein vermögender Mann. 1954, zwei Jahre nach seinem Tod, knackte die Zahl der gedruckten Maja-Bücher sogar die Millionenmarke.

Zum großen Doppeljubiläum in diesem Jahr – neben dem 100-jährigen der Biene Maja jährt sich Bonsels Todestag am 31. Juli zum 60. Mal – haben Wissenschaftler den Schriftsteller noch einmal genau unter die Lupe genommen. Und sie zeichnen ein alles andere als freundliches Bild: Bonsels, das kristallisiert sich in den Forschungsergebnissen inzwischen immer deutlicher heraus, soll Antisemit gewesen sein und der Ideologie des Naziregimes weitaus verbundener, als er es nach dem Zweiten Weltkrieg eingestehen wollte. „Er hat nicht erkannt, dass er als geistiger Brandstifter auch beteiligt war“, sagt der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Er forscht seit Jahren zu dem 1952 gestorbenen Bonsels und dessen Werk und hat jetzt das von der Waldemar-Bonsels-Stiftung finanzierte Buch „Waldemar Bonsels – Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers“ herausgegeben.

Einen Beitrag darin hat der Naturwissenschaftler Karl Daumer verfasst. Er geht der „Biene Maja“ darin „aus biowissenschaftlicher Sicht“ auf den Grund. Sein Ergebnis: Bonsels hält sich zwar in weiten Teilen an die biologischen Erkenntnisse seiner Zeit – diese werden aber immer wieder ideologisch überlagert. Er sieht „bedenkliche Freund-Feind-Moralvorstellungen“ und stellt fest: In den Schlusskapiteln finde sich „nur noch wenig Biologie, dafür aber umso mehr Ideologie“. Vor allem mit dem großen Kampf zwischen Bienen und Hornissen hat Daumer Schwierigkeiten. Bonsels verherrliche den Bienenstaat „im Trend der Wilhelminischen Zeit monarchisch-imperialistisch, national-martialisch, ja sogar mit einer sozialdarwinistisch getönten, rassistischen Tendenz“. Daumer hält das für gefährlich, weil Kinder nicht zwischen „harmloser Biologie“ und „verführerischer Ideologie“ unterscheiden könnten. Das führt ihn gar zu der vermutlich umstrittenen These: Kinder sollten „Die Abenteuer der Biene Maja“ nicht ohne ihre Eltern lesen.

Auf solche Ideen ist zumindest bei der berühmten TV-Serie, deren erste Episode im Jahr 1976 ausgestrahlt wurde, bislang wohl noch niemand gekommen – außer vielleicht Stefan Raab. Vor zehn Jahren, zum 50. Todestag von Bonsels, zeigte er in seiner Sendung „TV Total“ eine Montage von „Biene Maja“ mit Hitlerbärtchen, unterlegter Hitlerrede und unter Hakenkreuzfahne aufmarschierenden Ameisen. „Hitlers Helfer – heute: Maja und Willi“, witzelte Raab und fügte mit Blick auf den Autor hinzu: „Er dachte bis zuletzt, SS heißt summsumm.“ Vermutlich konnten manche Eltern nicht darüber lachen.