100 Jahre Panamakanal: Ein Weltwunder, das Ozeane verbindet

Als die „SS Ancon“ am 15. August 1914 als erstes Schiff den Panamakanal durchfuhr, wurde ein jahrhundertealter Menschheitstraum Wirklichkeit. Bereits im 16. Jahrhundert ließ der spanische Kaiser Karl V. Baupläne für eine Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik entwerfen. Auch der deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt träumte von einem Kanal über den Isthmus – also einem relativ schmalen Streifen Land, der zu beiden Seiten von Wasser begrenzt ist und zwei größere Landmassen miteinander verbindet.

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Doch es sollte bis Anfang des 20. Jahrhunderts dauern sowie Tausende Menschenleben und Millionen Dollar kosten, bis die interozeanische Wasserstraße Realität wurde. Zunächst versuchten sich die Franzosen an dem Bau des Kanals. 1880 begannen die Arbeiten unter der Leitung des Suezkanal-Erbauers Ferdinand de Lesseps. Allerdings unterschätzten die Franzosen die schwierigen geologischen Verhältnisse und die Gefahr durch Tropenkrankheiten. Nach neun Jahren waren Malaria und Gelbfieber schätzungsweise 20.000 Arbeiter zum Opfer gefallen, und die aufwendigen Arbeiten hatten die Kanalgesellschaft in den Konkurs getrieben.

Es begann mit einer politischen Intrige

Die USA übernahmen die Konzession und zettelten im damals noch zu Kolumbien gehörenden Panama eine Revolution an, um eine Washington gewogene Regierung zu installieren. In einem Vertrag ließen sie sich schließlich die Kontrolle über die Kanalzone zusichern. 1904 begannen die Amerikaner mit den Bauarbeiten. Sie hoben rund 180 Millionen Kubikmeter Erdreich aus, errichteten drei Schleusen und stauten den Gatún-See auf. Der Bau kostete 375 Millionen Dollar und war zu diesem Zeitpunkt das teuerste Bauprojekt der USA. Der US-Ingenieursverband nahm den Kanal 1995 in seine Liste der Weltwunder der modernen Welt auf. „Der Kanalbau wurde damals als Triumph der Technik über die Natur gewertet“, sagt die US-Wissenschaftlerin Julie Greene von der Universität von Maryland. „Tatsächlich war das Besondere aber die logistische Organisation und die straffe Führung der Arbeiter.“

Zum 100. Geburtstag eine Baustelle: Der Kanal wird für fast 
4 Milliarden Euro ausgebaut. 2016 sollen die ersten Containerriesen die erweiterte Wasserstraße passieren. Derzeit pflügen Kipplaster in der Größe von Mehrfamilienhäusern durch den roten Schlamm. Über ihnen ragt ein Wald von Kränen in den Himmel. <br /><br />
Zum 100. Geburtstag eine Baustelle: Der Kanal wird für fast 
4 Milliarden Euro ausgebaut. 2016 sollen die ersten Containerriesen die erweiterte Wasserstraße passieren. Derzeit pflügen Kipplaster in der Größe von Mehrfamilienhäusern durch den roten Schlamm. Über ihnen ragt ein Wald von Kränen in den Himmel.

Foto: afp

Menschen aus der ganzen Welt kamen nach Panama, um auf der Baustelle zu arbeiten. Mindestens 35.000 Arbeiter aus der Karibik und 6000 Amerikaner waren zwischenzeitlich am Kanal beschäftigt, hinzu kamen Kontraktarbeiter aus Spanien und Nordeuropa. Die Kanalverwaltung errichtete ein autoritäres System in der Kanalzone. „Der Verwalter George Washington Goethals verstand sich als wohlmeinender Diktator“, sagt Greene. „Er kümmerte sich um seine Leute, duldete aber keinen Widerspruch.“ Nur die spanischen Kontraktarbeiter probten hin und wieder den Aufstand. Goethals ließ die Streiks niederschlagen und deportierte die Rädelsführer nach Europa.

Apartheid

In der Kanalzone herrschte zudem strikte Trennung zwischen den Beschäftigten. Die Weißen wurden in Gold bezahlt, erhielten eine gute Gesundheitsversorgung und durften kostenlos mit Dampfschiffen in den Heimaturlaub fahren. Die schwarzen Arbeiter wurden in Silber entlohnt, lebten in Baracken und litten häufig an Tropenkrankheiten. „Trotzdem war die Arbeit am Kanal für die Menschen aus der Karibik recht attraktiv“, sagt Historikerin Greene. „Viele konnten ihre Lebensbedingungen verbessern und kauften später Land in ihren Herkunftsländern.“ Fast ein Jahrhundert behielten die USA die Kontrolle über die Kanalzone, erst im Jahr 2000 erhielt Panama die vollständige Souveränität über die Wasserstraße. Seitdem hat sich die strategische Ausrichtung des Kanals grundlegend geändert. „Für die USA war der Kanal vor allem eine Möglichkeit, ihre eigenen Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen in alle Welt zu verschiffen. Er war Mittel zum Zweck“, sagt der stellvertretende Kanalverwalter Manuel Benítez. „Für uns ist der Kanal ein Geschäft, wir wollen Geld verdienen.“

Fast eine Milliarde Dollar für das Finanzamt

Den Großteil ihrer Gewinne führt die Kanalverwaltung an den Fiskus ab. Im vergangenen Geschäftsjahr überwies sie 981,8 Millionen Dollar (724 Millionen Euro) an das Finanzamt. Damit ist der Kanal eine der bedeutendsten Einnahmequellen des mittelamerikanischen Landes. Viel wichtiger als die direkten Abgaben ist allerdings die Multiplikator-Wirkung des Kanals für die panamaische Wirtschaft. „Für ausländische Investoren ist unser Land ein Sprungbrett, um in der Region Geschäfte zu machen“, sagt der Leiter der Analyseabteilung im Finanzministerium Eloy Fisher. Der Zukunft sieht Vizechef Benítez gelassen entgegen: „Solange wir in einer globalisierten Welt Handel treiben, wird es den Panamakanal geben.“

Denis Düttmann