Kommentar: Die neuen Drohnenboten: Keine Angst vor Baguette 2.0

Wer hat eigentlich in der Evolution festgelegt, dass täglich säckeweise Papierbriefe in diesen rund zwei Tonnen schweren, gelb gefärbten Stahlcontainern mit Reifen darunter auf kilometerlangen, wartungsträchtigen Asphalttrassen quer durch die Republik gefahren werden? Das, was wir heute Post und Lastwagen nennen, mag vor vier, fünf Jahrhunderten abstrus erschienen sein. Und dennoch wurden diese Gefährte Wirklichkeit.

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Marcus Schwarze kommentiert

Nicht weniger ungewöhnlich sind für heutige Verhältnisse die jetzt bekannt gewordenen Ideen von Google, zur Beförderung von Paketen kleine Hubschrauber einzusetzen. Erprobt werden diese Drohnen seit zwei Jahren in den Weiten Australiens.

Ihre Alltagstauglichkeit in einer Kleinstadt müssen die Flugroboter erst noch unter Beweis stellen. Schon Amazon war vor einigen Monaten mit ähnlichen Plänen herausgekommen.

Wenn es wahr wird, was die US-Unternehmen erproben, entstehen in ein paar Jahren oder Jahrzehnten in 40 bis 60 Meter Höhe über dem Erdboden neue Luftstraßen. Dort tummeln sich dann private und dienstliche Kleinsthubschrauber, die surrende Pizzabringdrohne von Luigi überholt den dröhnenden Kleider-Umtausch-Heli vom Otto-Versand, und der Brötchenbäcker aus der Koblenzer Vorstadt konkurriert wegen der stark gesunkenen Akkustromkosten plötzlich mit dem Pariser Großdrohnendienst Baguette 2.0. Absurd?

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Ja, aber nur weil es neu und ungewohnt ist. Natürlich drohen durch „das Neue“ Gefahren für die etablierten Logistikunternehmen, für das Straßenausbaugewerbe und die Händler in der Stadt (nicht zu vergessen die Kleinbäckereien). Auf der anderen Seite braucht wahrscheinlich in ein paar Jahren jedes Ikea-Geschäft eine Servicetechniktruppe für die Drohnenwartung. Statt monatlich 150 000 Unfällen mit 300 Toten im bundesdeutschen Straßenverkehr gibt es nur noch 10 000 Unfälle mit Drohnenboten samt vergleichsweise glimpflichen Folgen auf den innereuropäischen Drohnentrassen (die meisten wegen missachteter Drohnenruhezeiten, gefolgt von Überschreitungen der Höchstgewichte). Und die Politik diskutiert derweil über eine Heli-Maut für durchreisende US-Drohnen gen Asien, die berühmte Seidenstraßenabgabe.

So oder so ähnlich mag es kommen. Wann genau diese Zukunft anfängt, wird man wohl erst im Nachhinein feststellen. Wie sagte schon ein junger Mann Ende des 18. Jahrhunderts: „Es gibt nichts Törichteres im Leben als das Erfinden. Ich bin jetzt 35 Jahre alt und habe der Welt noch nicht für 35 Pfennige genützt.“ Die Worte kommen von James Watt, der vor 89.270 Tagen das Patent für eine „mit Dampfkraft betriebene Maschine“ erhielt. Die Nachfolger dieser Maschinen sind noch heute unterwegs.

E-Mail: marcus.schwarze@rhein-zeitung.net