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Mainz

Ein schwarzer Tag für die Wahrheit: Robert Menasse erhält trotz Fälschungen die Zuckmayer-Medaille

Von Wolfgang M. Schmitt
Robert Menasse hat Zitate erfunden, jetzt beschimpft er kritische Journalisten.  Foto: dpa
Robert Menasse hat Zitate erfunden, jetzt beschimpft er kritische Journalisten. Foto: dpa

Robert Menasse wird am 18. Januar nun doch mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet werden – obwohl der österreichische Schriftsteller Zitate von Walter Hallstein, dem ersten Präsidenten der Europäischen Kommission, erfunden hat, obwohl er behauptete, dass Hallstein eine historische Rede nach dem Krieg in Auschwitz gehalten habe, was nicht stimmt, und obwohl seine Entschuldigungsversuche halbherzig und uneinsichtig sind. Das wortwörtliche Zitieren sei doch „das Geringste“ erklärte Menasse, denn er hätte doch im Sinne von Hallstein zitiert.

Lesezeit: 4 Minuten
„Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee.“ Diesen Satz mit Tragweite hat Menasse Walter Hallstein in den Mund gelegt, nicht nur in seinem Roman, wo die Regeln der Fiktion dies erlauben würden, sondern Menasse hat dies auch in Reden und in politischen Essays zitiert. Hallstein wurde so zu Menasses ...
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Rheinland-Pfalz hält an umstrittenem Autor fest: Ministerpräsidentin Dreyer verweist auf Gesamtwerk

Koblenz. Ungeachtet der Kritik an seinem Umgang mit historischen Fakten soll der österreichische Schriftsteller Robert Menasse am 18. Januar wie geplant die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz erhalten. „Robert Menasse hat sich große Verdienste um die deutsche Sprache erworben“, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Montag in Mainz. „Er hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes literarisches Gesamtwerk geschaffen, für das er zurecht große Anerkennung erhält.“ Auch Menasses „engagiertes Streiten“ für die europäische Idee habe die politische Debatte sehr bereichert.

In einer von der Staatskanzlei verbreiteten Presseerklärung heißt es weiter, Dreyer und der Autor seien sich einig darin, dass die „vorbehaltlose Anerkennung von Fakten zum Wertefundament unserer liberalen Öffentlichkeit gehört“.

Menasse räumte derweil erneut ein, es sei ein Fehler gewesen, dem CDU-Europa-Politiker Walter Hallstein Zitate zuzuschreiben, die dieser wörtlich so nicht gesagt habe. Der Autor war in die Kritik geraten, weil er den ersten Kommissionspräsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter anderem mit dem Satz zitiert hatte: „Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee.“ Auch hatte er fälschlicherweise behauptet, Hallstein habe seine Antrittsrede auf dem Gelände des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz gehalten. Als Menasse wegen der falschen Aussagen über Hallstein in die Kritik geriet, hatte das Land angekündigt, die Vergabe der Carl-Zuckmayer-Medaille an den Österreicher nochmals zu prüfen.

Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, warf Menasse vor, er habe den Holocaust instrumentalisiert. Kritik an der bevorstehenden Preisverleihung kam von den rheinland-pfälzischen Oppositionsfraktionen CDU und AfD. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf bekräftigte am Montag seine Haltung: „Auch wenn sich Robert Menasse für seine Fehler entschuldigt hat, ist die Verleihung zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal.“ Die Entscheidung der Ministerpräsidentin sei nicht nachzuvollziehen: „Gerade in Zeiten von Fake News und einer Vertrauenskrise in mediale Berichterstattung müssen Repräsentanten des Staates deutlich machen, dass sie für Wahrheit und Wahrhaftigkeit einstehen.“

Die Carl-Zuckmayer-Medaille wird seit 1979 jährlich vom Land Rheinland-Pfalz für besondere Verdienste um die deutsche Sprache vergeben und erinnert an den in Nackenheim am Rhein geborenen Schriftsteller Carl Zuckmayer (1896–1977). Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderen der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt, der Schauspieler Mario Adorf und der Rockmusiker Udo Lindenberg.

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