Mit Gott am Ring: Über einen unerwarteten Festivalbesucher – die Kirche
Natürlich ist er nicht persönlich hier, auch nicht in Form jener irdischen Vertreter, die man etwa aus dem Gottesdienst kennt. Und doch ist es eben diese Kirche – die katholische federführend, unterstützt durch die evangelische –, die dieses bemerkenswerte Projekt bei Deutschlands bekanntestem Rockfestival implementiert hat.
Seit 2017 schlagen Gemeindereferenten und Ehrenamtliche aus dem Kreis Adenau bei Rock am Ring ihr Kirchenzelt auf, stehen 24 Stunden am Tag für Gespräche bereit, bieten Raum zum Runterkommen, zum Durchatmen. Und: Sie sammeln auf dem Festivalgelände Pfand und Konservenspenden, die später den Tafeln in Daun und Adenau zugutekommen.
Theologisch? Muss nicht
Am Samstagnachmittag ist vor dem Kirchenzelt für einen Moment Ruhe eingekehrt. Carolin, Jennifer, Nadine, Christian und Anna-Lena sitzen in ihren schwarzen „Gott am Ring“-Shirts im Halbkreis verteilt um einen kleinen Campingtisch, schauen aufmerksam, lächeln kollektiv. „Willst du dich nicht setzen? Kaffee?“ Und schon ist man im Gespräch.
Der Austausch mit den Menschen hier, erzählt Jennifer, sei „unheimlich spannend“. Anna-Lena ergänzt: „Die meisten stellen sich ,Gott am Ring' zunächst einmal sehr verkrampft vor, aber viele, die regelmäßig beim Festival sind, wissen mittlerweile, dass man hier keine hochtheologischen Fragen diskutieren muss.“ Zwar seien solche Themen im Kirchenzelt ebenfalls willkommen. „Man kann sich mit uns aber auch einfach nur unterhalten – über das, worauf man gerade Lust hat.“
Generell, so Anna-Lena, reiche die Palette möglicher Aufgaben bei „Gott am Ring“ von Trauergesprächen über Beziehungsprobleme bis hin zu Menschen, die nachts ihren Zeltplatz nicht mehr finden. Am Samstagmorgen beispielsweise sei ein Mann vorbeigekommen, erzählt Carolin, „der gerade auf dem Rückweg war vom Einkaufen. Er hatte eine gerissene Tasche, also haben wir ihm eine neue gegeben, und am Ende ist er vier Stunden hier geblieben und hat sich mit uns unterhalten.“
Manche, sagt Jennifer, seien einfach nur froh, „mal einen Ort zu haben, wo sie zur Ruhe finden. Wir hatten in diesem Jahr unter anderem auch ein Mädchen, das sich bei uns im Zelt ins Bett gelegt hat.“ Auch das ist – ebenso wie Grill und Kaffeemaschine – Teil des Angebots bei „Gott am Ring“.
Daneben aber gibt es natürlich auch belastende Fälle, wenngleich sich diese bislang glücklicherweise in Grenzen halten. Angehörige von Menschen etwa, die im benachbarten DRK-Zelt behandelt werden müssen. Ein Mann, der nach einem schweren Unfall vor eineinhalb Jahren über das Erlebte sprechen möchte. Hierfür, für die reine Seelsorge ist stets einer der Gemeindereferenten anwesend, vieles allerdings fangen bereits die Ehrenamtlichen auf.
Darunter immer wieder auch Begegnungen mit Menschen, „die der Kirche zurecht kritisch gegenüberstehen“, wie Anna-Lena erklärt. „Da sind wir aber oft einer Meinung, weil wir das ganz ähnlich sehen.“ Man wolle, fügt Christian hinzu, „die Leute gar nicht missionieren, und doch gelingt es uns vielleicht, ihnen zu zeigen, dass es in der Kirche auch anders laufen kann.“ Wobei „Gott am Ring“, wie Nadine betont, grundsätzlich etwas anderes sei als das Bild, das viele von der Kirche haben. „Uns geht es hier weniger um die Institution als solche. Wir wollen den Menschen einfach helfen und dafür sorgen, dass sie sich hier wohlfühlen.“