RZ-INTERVIEW: Zu Gast beim einzig wahren Dancing King

Er ist einer der bekanntesten Pianisten der Welt – klar waren wir aufgeregt, ihn interviewen zu können. Und siehe da – keine Starallüren. Er plaudert einfach drauf los. Und zu erzählen gibt es auch viel, denn Ulvaeus betreut das neue Abba-Museum in Stockholm.

Lesezeit: 5 Minuten
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Es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn Mister Abba auf einmal vor einem steht. Björn Ulvaeus ist nicht besonders groß, er wirkt fast unscheinbar. Aber sein Händedruck ist kräftig, sein Lächeln ist freundlich. Wir setzen uns. Eigentlich möchte man nur eins: Dass sich Ulvaeus jetzt sofort ans Piano setzt und zu singen beginnt. Aber man weiß, dass er das nicht tun wird. Also reden wir miteinander und lassen uns von Björns Englisch mit schwedischem Zungenschlag in den Bann ziehen.

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Das Interview führte unser Redakteur Michael Defrancesco

Glückwunsch, Sie haben jetzt Ihr eigenes Museum. Fühlen Sie sich ein wenig alt?

(lacht) Ich fühle mich steinalt, und wie. Aber ein Glück: Der Junge, dessen Geschichte das Museum erzählt, ist jung.

Jung im Herzen.

Ganz genau.

Was erleben wir denn Schönes im neuen Abba-Museum?

Sie können viele spannende Artefakte aus unserem Bandleben sehen, Pianos, Kostüme, Goldene Schallplatten. Was mir sehr gefällt: Das Museum erzählt so ganz nebenbei die komplette Geschichte von Abba. Wie ein großes Geschichtsbuch.

Haben Sie selbst Erinnerungsstücke an die Abba-Zeit gesammelt?

Nein.

Warum nicht?

Ich wusste ja nicht, dass es 40 Jahre später mal ein Museum geben würde, das sich darüber freut! (grinst)

Sie haben wirklich alles weggeworfen?

Ich bin nicht der große Sammler. Wenn man mittendrin in einer großen Geschichte steckt, dann denkt man vielleicht auch nicht so daran, dass man etwas davon aufheben und konservieren sollte. Ich habe immer alles sofort weggeworfen. Glücklicherweise gab es aber Leute, die die Sachen aus dem Müll gefischt und aufgehoben haben.

Aber ein Lieblingsstück im Museum haben Sie bestimmt.

Ja. Das weiße Piano, an dem Benny und ich „The winner takes it all“ geschrieben haben. Wir saßen damals nebeneinander, und es floss nur so aus unseren Händen, Text und Melodie. Wie aus einem Guss. Als wir fertig waren, sahen wir uns an und wussten, dass wir etwas Großes geschaffen hatten.

Wir sehen das Ausstellungsstück, Sie aber erleben die persönliche Erinnerung.

Und es passt zusammen! Es gibt einen Audioguide für unsere Besucher, und die vier Stimmen der Abba-Mitglieder führen die Besucher durch die Ausstellung. Und wir erzählen von unseren Erinnerungen, die wir mit den einzelnen Gegenständen verbinden. Wir erzählen wirklich exakt das, was wir damals gefühlt und erlebt haben. Die Besucher werden also Dinge hören, die sie nie zuvor gehört haben, weil sie nie zuvor erzählt worden sind.

War dieser Prozess auch spannend für Sie selbst?

Ja. Es wurden ganz gezielt Interviews mit uns vier geführt, um uns wieder in die damalige Zeit zurückzuversetzen und unsere Erinnerungen aufzufrischen. Und es kamen so viele Momente zurück, das war sehr bewegend. Wer weiß, vielleicht veröffentlichen wir diese Interviews mal irgendwann komplett. Wenn Sie zum Beispiel als Besucher vor dem weißen Piano stehen, dann hören Sie Benny und mich diskutieren, wie wir am Piano sitzen und das Lied schreiben.

Besucher können auch Ihre alten Kostüme anprobieren – virtuell zumindest. Haben Sie Ihre alten Kostüme noch?

Aber ja!

Zu Hause? Und Sie ziehen sie manchmal heimlich an?

(lacht laut) Nein, um Himmels willen. Selbst wenn meine Frau mich darum bitten würde, würde ich diese Kostüme nicht wieder anziehen!

Weil Sie ein klein wenig zugenommen haben, gell.

Oh, ich bin stolz, hier verkünden zu können, dass ich durchaus körperlich dazu in der Lage wäre, diese Kostüme wieder zu tragen. Gut, zumindest einen Teil davon. Ich habe vielleicht zwei Kilo mehr auf den Rippen als damals. Würden Sie noch in Ihren Hochzeitsanzug passen?

So was fragt man nicht, Herr Ulvaeus.

(lacht)

Warum ist die Begeisterung für Abba immer noch so groß? Es gibt längst keine neuen Lieder mehr, keine Konzerte ...

Ich weiß es nicht. Ich nehme die Begeisterung einfach dankbar zur Kenntnis. (lächelt süß) Aber mal im Ernst: Ich weiß es wirklich nicht. Wir alle haben uns diese Frage schon mal gestellt und sehr intensiv darüber nachgedacht. Was könnte es sein, das diesen unglaublichen Erfolg auch so lange über unser Ende hinaus erklärt? Wir haben keine Antwort gefunden. Das muss irgendwann ein anderer Mensch herausfinden. Wir können es nicht.

Sie wissen ja, dass Millionen von Fans weltweit auf eine Wiedervereinigung von Abba warten.

Das ist mir sehr wohl bekannt, ja. (schmunzelt)

Fühlen Sie manchmal ein klein wenig Druck deshalb?

Nein. Niemals. Ich fühle keinen Druck.

Hm. Die Fans müssen ihren Druck also wohl noch ein wenig erhöhen.

(grinst) Das würde nichts nützen. Alle Freunde von Abba mögen uns bitte so in Erinnerung behalten, wie wir damals waren.

Sie bleiben Rentner.

Absolut.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Abba-Rentner aus? Rasen mähen ...

(lacht) Im Moment ist das Abba-Museum tatsächlich ein Vollzeitjob. Ich bin in jedes Detail involviert, in den Aufbau, die Konzeption, die Finanzierung. Außerdem engagiere ich mich vielfältig. Zum Beispiel dafür, dass bezahlbare Wohnungen für junge Leute in Schweden entstehen können.

Wie wichtig war Schweden für Sie als Musiker?

Sehr wichtig, weil wir in Schweden die Bodenhaftung nicht verloren. In Berlin, New York oder London wäre das alles viel verrückter gewesen. In Stockholm konnten wir herumlaufen wie normale Menschen. Jeder erkannte uns, jeder wusste, wer wir waren – aber man ließ uns in Ruhe. Wir konnten ein normales Leben führen. Und wir konnten fast einen geregelten Arbeitsalltag haben, wenn wir unsere Musik schrieben. Wir arbeiteten und hatten danach Freizeit, in der wir nicht gestört wurden. Deshalb blieben wir in Stockholm wohnen.

Fein, und wenn es Ihnen zu ruhig wurde, konnten Sie ja nach Deutschland kommen und sich von den Fans anschreien lassen.

Exakt! Außerhalb Schwedens war es sofort völlig anders.

In diesem Jahr könnten die Schweden mal wieder das große Los ziehen beim Eurovision Song Contest. Drücken Sie einem Lied die Daumen?

Ich drücke dem besten Lied die Daumen, egal, woher es kommt.

Das ist großartig.

Gell? Denn es geht doch darum, das beste Lied zu finden. Nicht den besten Sänger oder die beste Bühnenshow. Nein, wir wollen das beste Lied finden.

Da spricht der Komponist.

Ich glaube auch, ja. (lacht)

Ein Kurzvideo sehen Sie unter http://ku-rz.de/2oym